„Und wer qualifiziert die Eltern?“

Neuss · In seiner Jugend war Umut Ali Öksüz aus Weckhoven selbst ein problematischer Schüler. Heute ist er Lehrer, Nachhilfelehrer und Buchautor in Erziehungsfragen.

 Umut Ali Öksüz im Klassenraum. Als Nachhilfelehrer konzentriert er sich nicht nur auf die schulischen Leistungen seiner Schüler, sondern auf den ganzen Menschen.

Umut Ali Öksüz im Klassenraum. Als Nachhilfelehrer konzentriert er sich nicht nur auf die schulischen Leistungen seiner Schüler, sondern auf den ganzen Menschen.

Foto: Foto: Thomas Broich

Jetzt hat er das Handbuch „Deutschland – Elternqualifizierung für bessere Bildungschancen der Migrantenkinder“ mit anderen Professoren und Multiplikatoren aus dem Fachbereich unter der Koordination von Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning herausgegeben. Sein Thema darin: „Mit allen Sinnen lernen“.

Was ihn aus der eigenen Bildungsmisere herausgeholt und auf den richtigen Weg gebracht hat, ist für ihn sehr eindeutig: individuelle Betreuung – in seinem Fall: Nachhilfe.

Mit der richtigen Betreuung, die über das reine „Pauken“ hinausging und sich auch mit dem Menschen Umut Ali Öksüz beschäftigte, wurde aus dem desinteressierten und unmotivierten Hauptschüler ein wahrer Überflieger.

Öksüz: „Ich selbst war zwei Jahre lang Schüler im Lernzentrum Novaesium Neuss und unterrichte seit sechs Jahren dort. Ohne das ehrenamtliche Engagement, was wir Lehrer leisten, wären wir nicht so erfolgreich.“ Denn was die 16 Lehrer dort leisten müssen, um gute Ergebnisse zu erzielen, geht weit über den normalen Job und die vorgeschriebene Stundenzahl hinaus. Gerade im bunten Multi-kulti-Umfeld ist viel Flexibilität gefragt.

Besonders in einem Bereich versagen nach Öksüz öffentliche Schulen ganz besonders: der Elternarbeit. Die meisten Schulen konzentrieren sich seiner Meinung nach nur auf den innerschulischen Bereich, was nach Schulschluss in den Familien geschehe, interessiere sie nicht mehr. „Viele Lehrer gehen automatisch davon aus, dass von Elternseite gar kein Interesse an ihren Kindern und deren Schule besteht. Doch meiner Erfahrung nach ist es ganz anders: Oft gibt es auf Elternseite viele Fragen, die sie sich aber gar nicht zu stellen trauen. Viele wissen zum Beispiel noch nicht einmal, was eine Sekundarschule ist. Da ich mit den unterschiedlichsten Nationalitäten zusammenarbeite, weiß ich, dass das nicht nur ein Sprach- und Verständigungsproblem ist. Das haben deutsche Eltern ganz genau so. Wir Nachhilfelehrer können da zum Glück Brücken bauen.“

Eltern, die nicht völlig desinteressiert am Werdegang ihrer Kinder sind, ermuntert Umut Ali Öksüz wo er nur kann, Fragen an die Schulen zu stellen, und die Schulen wiederum, auf alle Fragen vorbereitet zu sein und von sich aus auf Eltern zuzugehen. Und sollte es mit der Elternqualifikation nicht klappen, gibt es ja immer noch die Nachhilfe...

(Kurier-Verlag)
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