Alles für die Kinder: Das Schützenkönigspaar Markus und Susanne Reipen sorgt sich um den Nachwuchs

Neuss · Für den Neusser Schützenkönig Markus Reipen (42) läuft es gut. Mehrere Faktoren kommen zusammen, die seine Regentschaft zu etwas ganz besonderem machen. Er ist so zufrieden mit sich und der Welt, dass er nicht einmal ein verregnetes Schützenfest fürchtet.

 Schützenkönig und Scheibenschütze Markus Reipen mit seiner Königin Susanne im Schatten von St. Quirin am Denkmal des Heiligen Jakobus, dem Schutzpatron seiner Bruderschaft.

Schützenkönig und Scheibenschütze Markus Reipen mit seiner Königin Susanne im Schatten von St. Quirin am Denkmal des Heiligen Jakobus, dem Schutzpatron seiner Bruderschaft.

Foto: Foto: Thomas Broich

Für den begeisterten Motorsportler gilt: „Das Wetter ist ganz egal - gefahren wird immer. Und gefeiert wird auch immer!“ Die Stimmung will er sich von nichts und niemandem vermiesen lassen.

Sein Korps, die Neusser Scheibenschützen-Gesellschaft von 1415, ist eine der ältesten deutschen und rheinischen Schützengesellschaften. In diesem Jahr feiert sie ihr 600-jähriges Bestehen und Schützenkönig Markus ist mittendrin. Im vorigen Jahr konnte er sich mit dem 22. Schuss gegen seine drei Mitbewerber durchsetzen, darunter auch gegen seinen eigenen Vater, Egon Reipen. Ein Novum in der fast 200-jährigen Geschichte des Neusser Bürger-Schützenvereins. Zur Seite stehen ihm Ehefrau Susanne Reipen und die Kinder Julia (17) und Marvin (9).

Im Stadt-Kurier-Interview, wenige Tage vor den „schönsten Tagen des Jahres“, ziehen Markus und Susanne Reipen eine erste Bilanz.

Stadt-Kurier:

Sind Sie derzeit sehr im Stress oder hält es sich noch in Grenzen?

Markus Reipen:

Stress? Es geht eigentlich noch... Man muss Arbeit, Privatleben und Schützen unter einen Hut kriegen, aber Stress würde ich das nicht nennen. Es ist nur schade, dass meine Kinder derzeit ein bisschen zu kurz kommen.

Stadt-Kurier:

Sind Sie denn schon in Kirmeslaune?

Markus Reipen:

Bleibt ja nicht aus! Aber wir waren ja schon das ganze Jahr in Schützenangelegenheiten unterwegs.

Stadt-Kurier:

Würden Sie denn noch ein Jahr dranhängen, wenn es möglich wäre?

Markus Reipen:

Nein. Man stellt sich auf ein Jahr ein, weiß, dass es am Dienstag vorbei ist und das ist auch gut so. Für uns war das Schützenjahr bisher genau so, wie wir es erwartet hatten.

Stadt-Kurier:

Gibt es nichts, was Sie überrascht oder überrumpelt hätte?

Markus Reipen:

Nein, die Anforderungen waren sogar geringer, als wir angenommen hätten. Das Komitee hat uns vieles abgenommen.

Stadt-Kurier:

Und sonst hat Sie nichts überrascht?

Markus Reipen:

Doch, natürlich, die Begeisterung der Neusser. Darauf kann man sich gar nicht einstellen. Man ist es als „Normalo“ sonst gar nicht gewohnt, dass man überall mit offenen Armen empfangen wird.

Stadt-Kurier:

Wurden Sie auch oft auf der Straße angesprochen?

Markus Reipen:

Ja, direkt nach dem letzten Schützenfest und jetzt kurz vor dem nächsten Schützenfest wird man eigentlich immer in der Stadt angesprochen.

Stadt-Kurier:

Zwei Dinge werden den Neusser in Zusammenhang mit Ihnen wohl immer positiv im Gedächtnis bleiben: Ihr Engagement für das Glockenspiel und die Schaffung des Kinder-Schützenfestes.

Markus Reipen:

Das wäre natürlich schön. Aber es ist für jedes Königspaar schwer, ein geeignetes Königsgeschenk zu finden. Ich hatte diesmal das „Glück“, dass beim Glockenspiel „die Uhr stehen geblieben“ ist. Und wenn ein anderer König in der Situation gewesen wäre, wäre er sicher auch auf die Idee gekommen, sich für die Restauration des Glockenspieles einzusetzen.

Stadt-Kurier:

Wie ist die Idee zum Kinderschützenfest zustande gekommen?

Markus Reipen:

Axel Hebmüller, unser Hoher Reitersieger, und ich haben uns gesagt, wir vermissen am Markt am Rande des Schützenzuges Kinder, die älteren Menschen und andere Zuschauer. Das ist heutzutage leider alles weg. Das wollte wir mal wieder integrieren. Kinder sind unsere Zukunft. Und es gab ja auch hin und wieder einzelne Ansätze, in verschiedenen Kindergärten zum Beispiel, aber wir wollten das ganze mal „richtig“ aufziehen: Mit Musik, Geschenken, Umzug und allem, was dazu gehört. Und es ist uns ja gelungen. Wenn man die Kinder in ihren Uniformen sieht, geht einem einfach das Herz auf. Das schönste in unserem Regierungsjahr waren eigentlich auch die Schul- und Kindergartentermine. Besonders habe ich mich natürlich über die ganzen Briefe gefreut, die ich von Kindern bekommen habe.

Stadt-Kurier:

Was schreiben die Kleinen so?

Markus Reipen:

„Wir finden dich Könich jut und deine Kirmes“ zum Beispiel. In einem Brief stand: „Ich finde die Schützen gut und ich finde den König gut, hast du schon eine Königin?“

Susanne Reipen:

Da muss man immer beachten, die sind im ersten Schuljahr, die schreiben ja noch ganz anders „Körmes“ und „Könisch“, „Wir lieben dösch“. So, wie sie sprechen, sollen sie ja auch schreiben.

Markus Reipen:

In einem Kindergarten haben die Kinder das Neusser Heimatlied gelernt, und wenn man sieht, dass die Kinder so kirmesverrückt sind, dass sie die ganze Woche nur dieses eine Lied vor sich hin geträllert haben, dann wird einem klar, dass das der richtige Weg ist. Für die älteren Leute haben wir Kaffee und Kuchen angeboten und man muss sagen, dass die Veranstaltung trotz des schlechten Wetters ein großer Erfolg war. Wir hatten mit weniger Zuspruch gerechnet. Wir schätzen, dass es um die 1.200 Zuschauer waren. Über 100 Kinder waren dabei.

Susanne Reipen:

Der Platz war voll! Vielleicht nicht so voll wie bei den Räubern, aber wir waren begeistert.

Stadt-Kurier:

Könnte das eine neue Tradition in Neuss werden?

Markus Reipen:

Ich würde mir das wünschen. Und wir werden daran arbeiten. Man muss sehen, wie wir das hinbekommen, ohne dass wir besonders in Erscheinung treten müssen. Denn dann gibt es ja einen neuen König und einen neuen Hohen Reitersieger und es wäre schön, wenn die das Kinderschützenfest weiterführen würden. Das beste an dieser schönen Veranstaltung war, dass man den Kindern die Begeisterung am Gesicht ablesen konnte - und den Muttis ebenso. Da war mir klar, die werden ihre Kinder in ein paar Jahren auch noch unterstützen, wenn diese eine Schützenkarriere einschlagen wollen.

Stadt-Kurier:

Für Sie stimmt in diesem Jahr eigentlich alles, oder? Mit zwei gelungenen Aktionen in die Schützengeschichte eingegangen, als unvergessliches Vater-und-Sohn-Duo an der Vogelstange gekämpft, ein Regiment mit Rekordgröße hinter sich und 600 Jahre Scheibenschützen...

Markus Reipen:

Das kann man nicht mehr toppen! Aber da war auch viel pures Glück dabei. Aber ich mache das, weil ich es gerne mache, ich möchte mir nicht unbedingt ein Denkmal setzen. Darüber, dass so eine Situation noch nie da war, dass Vater und Sohn gemeinsam angetreten sind, habe ich mir im Vorfeld gar keine Gedanken gemacht.

Stadt-Kurier:

Wie hat Ihr Vater das vergangene Jahr begleitet?

Markus Reipen:

Da wir in einem Haus wohnen, konnte er immer auf die Kinder aufpassen.

Stadt-Kurier:

Das heißt, er hat noch weniger vom Schützenjahr mitbekommen als sonst?

Markus Reipen:

Nein! Da mein Sohn ja jetzt auch bei den Hubertusschützen mitzieht, waren auch meine Eltern immer mit dabei.

Stadt-Kurier:

Ist Ihr Vater denn traurig, dass es bei ihm nicht geklappt hat?

Markus Reipen:

Nein, eigentlich nicht. Im Grunde war das ganze ja auch nur eine Retourkutsche, weil er mich damals für den Königsschuss in Grimlinghausen angemeldet hatte. Er hätte sich dennoch gefreut, wenn es in Neuss etwas geworden wäre. Meine Eltern werden in diesem Jahr 70, da hätten wir ihnen das Königsjahr gerne geschenkt. Aber jetzt müssen wir uns eben etwas anderes ausdenken (lacht)!

Stadt-Kurier:

Was gibt es statt dessen?

Markus Reipen:

Darüber können wir nicht reden, sonst wäre die Überraschung weg. Nein, aber das Königsjahr wäre auch für meine Eltern ein Highlight gewesen, auch wenn meine Mutter sagt: „Das sind ja schon eine ganze Menge Termine, die ihr da habt...“

Stadt-Kurier:

Haben Sie mal überschlagen, wie viele Termine das sind?

Markus Reipen:

Wir haben jetzt schon 200 hinter uns, und ich denke, dass es mindestens 300 werden. Wir haben natürlich auch nie etwas abgesagt, es sei denn, dass Termine doppelt belegt waren. Aber wir fanden die Termine bei den kleinen Zügen superwichtig, denn das sind die Leute, die uns auf Händen tragen.

Stadt-Kurier:

Wie sind Sie eigentlich zu den Scheibenschützen gekommen?

Markus Reipen:

Ich war ja lange Jahre beim Tambourkorps Grimlinghausen, und ich bin mit meinem Vater in der selben Firma. Da musste ich ihm eines Tages sagen: „Ich kann nicht jedes Wochenende auf Schützenfesten spielen und dann Montag, Dienstag freinehmen.“ Da habe ich ein Jahr ausgesetzt, dann kam ein Handwerkskollege auf mich zu und sagte: „Wenn du nur ein bisschen schützendoll bist, dann mach doch bei den Scheibenschützen mit. Wenn du da bist, bist du da, wenn nicht, ist auch nicht schlimm. Die sind so groß, das macht nicht. Das ist für Unternehmer genau das richtige. Jetzt bin ich 15 Jahre dabei. Es dauert relativ lange, bis man in so einem großen Korps alle Leute kennenlernt, aber das haben wir jetzt mit einem Vogelschuss geschafft.

Stadt-Kurier:

Was macht die Scheibenschützen für Sie zum besten Korps überhaupt?

Markus Reipen:

Man muss nichts tragen, kein Gewehr, keinen Dolch, nur seinen Hut, das ist schon mal sehr positiv. Ich bin bisher ja nur bei den Scheibenschützen mitmarschiert. Erst als König habe ich die anderen Korps je richtig kennengelernt - wer weiß, wie ich mich heute entscheiden würde... Aber im Ernst: die Scheibenschützen haben im letzten Jahr so viel für uns getan, das war einfach der Wahnsinn. Für mich gibt es nichts anderes. Als mein Sohn sich für die Hubertusschützen entschied, war ich schon ein bisschen traurig.

Stadt-Kurier:

Frau Reipen, ich habe gehört, Sie freuen sich schon besonders auf die Fahrt in der Kutsche. Was begeistert Sie so daran?

Susanne Reipen:

Es ist so schön, dass ich daran überhaupt teilnehmen kann. Bis vor ein paar Jahren war das Frauen ja nicht gestattet. Die Damen standen auf dem Balkon, aber im Zug fanden sie überhaupt nicht statt. Das ist ein Highlight. Ich kenne das ja schon vom Krönungsabend. Man sitzt in der Kutsche, ist den Leuten noch fremd, die Leute am Straßenrand sind einem ebenfalls fremd, aber sie jubeln, als würden sie einen schon jahrelang kennen. Die Begeisterung ist schon fantastisch. Man ist es in Deutschland ja schon gar nicht mehr gewohnt, dass man auf der Straße gegrüßt wird. Das passiert mir jetzt beim Metzger oder Bäcker schon, dass ich gegrüßt und angesprochen werde. Schützenkönigin in Neuss, das ist schon was!

Stadt-Kurier:

Wüden Sie denn auch gern im Zug mitmarschieren, wenn es für Frauen die Möglichkeit gäbe?

Susanne Reipen:

Nein! In der Kutsche sitzen ist sehr schön, aber mit den marschierenden Männern möchte ich nicht tauschen. Bei den langen Wegen, die die gehen müssen.

Stadt-Kurier:

Was hat sie besonders glücklich gemacht in den letzten Monaten?

Markus Reipen:

Die Begeisterung der Kinder. Insbesondere die der Edelknaben. Für die war es ein Höhepunkt, den Schützenkönig persönlich kennenzulernen. Ich musste sie sogar zügeln und sagen: „Hey, ich bin nichts besonderes, ich bin nur für ein Jahr Schützenkönig.“

Susanne Reipen:

Die Edelkanbenfahrt war auch toll, es ging ins Toverland, das ist eine Art kleines Phantasialand in den Niederlanden. Das war für die Kleinen auch etwas ganz besonderes, denn die meisten Königspaare nehmen sie mit ins Schützenmuseum oder etwas im Rhein-Kreis Neuss, da war das natürlich etwas spezielles. Aber wir haben ja selbst kleine Kinder und da weiß man wie das ist. Woran die Kinder Spaß haben.

Stadt-Kurier:

Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie es nach der Schützenzeit weitergeht? Business as usual oder wird erst einmal richtig Urlaub gemacht?

Markus Reipen:

Es geht ganz normal weiter. Den Urlaub haben wir schon hinter uns. Meine Frau war zehn Tage mit den Kindern auf Mallorca. Auch ich war mal zwei bis drei Tage weg, um den Kopf freizubekommen. Nach dem Schützenfest müssen wir uns erst einmal sortieren und ein paar Sachen in Angriff nehmen, die monatelang liegen geblieben sind.

Stadt-Kurier:

Zum Beispiel Hobbys?

Markus Reipen:

Ja, ich werde mich wieder dem Motorcross widmen. Ich fahre ja mit meinem Sohn zusammen Motorrad mit Beiwagen. Im Jahr 2009 war ich da sogar Deutscher Amateurmeister.

Stadt-Kurier:

Sie sind Mitglied in einer Bruderschaft, was bedeuten die Worte „Glaube, Sitte, Heimat“ für Sie?

Markus Reipen:

Ich finde es gut, dass gewisse Werte gepflegt und übermittelt werden. Einige sagen, das Neusser Schützenfest sei militaristisch. Das sehe ich nicht so. Aber es ist einfach wichtig, dass die Menschen an den Wert der Ordnung erinnert werden. Mein Vater hat mir beigebracht, die Menschen zu achten. Kürzlich sprach mich ein Bekannter darauf an, dass er meinen Sohn gebeten habe, ihn zu duzen. Doch für Marvin war es selbstverständlich, einen Erwachsenen zu siezen. Ich habe ihn nie in diese Richtung gedrängt, aber er hat diese Benehmen einfach übernommen - das finde ich klasse.

Stadt-Kurier:

Stichwort „Glaube“ - Sind sie gläubige Menschen?

Markus Reipen:

Ja! Aber - ich weiß gar nicht, ob man das sagen darf - dafür brauche ich keine Kirche.

Stadt-Kurier:

Und Heimat?

Markus Reipen:

Der Ort, wo man groß geworden ist, wo man als Mensch seine Entwicklung genommen hat. Wo man geprägt wurde. Das ist für mich sehr wichtig. Ich glaube nicht, dass ich die Verbindung zu Neuss einmal verlieren könnte. Auch wenn wir derzeit in Mönchengladbach leben. Das war eine Preisentscheidung. So ein Haus hätte ich hier in Neuss nicht bezahlen können. Aber wir werden irgendwann wieder nach Neuss zurückkommen. Die Verbundenheit ist einfach zu stark. Wir bleiben jetzt erst einmal ein paar Jahre in Mönchengladbach, da wo meine Frau herkommt, aber irgendwann kommen wir zurück!

(Kurier-Verlag)
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