Auch aus Neuss mussten viele Opfer der Nazis den Weg in die Konzentrationslager antreten

Neuss · Die Übergriffe auf Juden fanden auch in Neuss ihren traurigen Höhepunkt mit der Verschleppung der Neusser Juden in verschiedene Konzentrationslager und ins Vernichtungslager Ausschwitz. Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen.

 SPD-Ratsfrau Constanze Kriete (rechts) reinigte am 9. November 2014 gemeinsam mit Stadt-Kurier-Reporter Frank Möll mit Metallreiniger Stolpersteine gegen das Vergessen. Ein Jahr später beteiligten sich viele an dieser Aktion.

SPD-Ratsfrau Constanze Kriete (rechts) reinigte am 9. November 2014 gemeinsam mit Stadt-Kurier-Reporter Frank Möll mit Metallreiniger Stolpersteine gegen das Vergessen. Ein Jahr später beteiligten sich viele an dieser Aktion.

Foto: Thomas Kaumanns

Der 9. November ist der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten. Die offizielle Neusser Gedenkfeier war am Montag, 10 November. Da es am Sonntag keinen Bürgermeister gab, der verfügbar war, gedachte die SPD-Ratsfrau Constanze Kriete am Sonntag den getöteten Juden in ganz besonderer Art. Sie reinigte die Stolpersteine in Neuss. Ein Stadt-Kurier-Reporter begleitete sie und half dabei.

Der 9. November 1938. Es ist der Tag, an dem tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte der Menschheit.

Die verharmlosende Bezeichnung Reichskristallnacht, deren Herkunft nicht definitiv geklärt ist, bildete und erhielt sich für den reichsweiten Pogrom gegen die Juden im Deutschen Reich, der am 9. November 1938 ihren ersten traurigen Höhepunkt fand.

„Kristallnacht“ bezieht sich auf die überall verstreuten Glasscherben vor den zerstörten Wohnungen, Läden und Büros, Synagogen und öffentlichen jüdischen Einrichtungen. Der Begriff Reichspogromnacht hat sich erst in jüngster Zeit verbreitet und im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt, um das belastete Wort „Reichskristallnacht“ zu ersetzen.

Am 9. November 2014 waren alle drei Bürgermeister der CDU (Herbert Napp, Thomas Nickel, Jörg Geerlings) auf einer CDU-Tagung in einem Landhotel am Niederrhein. Vizebürgermeister Reiner Breuer (SPD) war in Berlin. Aus diesem Grund wurde die offizielle Gedenkfeier auf den Montagvormittag verlegt. Das hatte zum Ergebnis, dass besonders viele Schulklassen zur Gedenkfeier am Zolltor, dem Standort der alten Neusser Synagoge, gekommen waren. Bürgermeister Herbert Napp warnte dort gemeinsam mit Bert Römgens von der Jüdischen Gemeinde vor aktuellem Fremdenhass und Ausgrenzung.

Der Kölner Künstler Gunter Demnig erinnert seit Jahren an Opfer des Nationalsozialismus, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Gehweg einlässt. Die Gedenktafeln haben eine Kantenlänge von etwa zehn Zentimeter. Sie werden Stolpersteine genannt. Menschen sollen sozusagen über die Tatsache stolpern, dass die schweigende Masse tatenlos zugesehen hat, wie die Opfer des Nationalsozialismus zum Beispiel ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden.

Doch die Neusser Steine gammeln vor sich hin, sind voller Dreck und Moos, glänzen längst nicht mehr. Niemand scheint sich darum zu kümmern.

SPD-Ratsfrau Constanze Kriete und Stadt-Kurier-Chefredakteur reinigten sie am Sonntag. Eine Gemeinschaftsaktion der linken Politikerin mit jenem Journalisten, mit dem sie ihre härtesten Auseinandersetzungen erlebte. Doch diese Aktion war beiden wichtig, so dass sie am 9. November 2014 zusammen arbeiteten.

Die Liste der Neusser Juden und der anderen Opfer des Nationalsozialismus, die verschleppt und bis in den grausamen Tod gequält wurden, ist lang. Die Stolpersteine erinnern an diese Opfer, die bekannt wurden:

Hermann Stein jr.

(Pferdehandlung), 12.02.1881 in Neuss, deportiert nach Lodz am 27.10.1941, ermordet am 07.05.1942

Sophie Stein

geb. Regensteiner, 25.12.1891 in Nördlingen, deportiert 1941, gestorben in Lodz

Lore Stein

31.05.1922 in Düsseldorf, deportiert 1941, + in Lodz

Milli Stein

08.02.1927 in Düsseldorf, deportiert 1941, + in Lodz

Bernhard Stein

06.03.1890 in Neuss, deportiert 27.10.1941, + in Lodz

Dora Stein, geb. Geisel

04.05.1891 in Rheinbach, deportiert 1941, + in Lodz

Theodor Regensberg

16.03.1881 in Hofgeismar, deportiert 11.12.1941 nach Riga,

umgekommen in Riga

Helena Regensberg, geb. Hertz

28.08.1882 in Worms, umgekommen in Riga

Herta Regensberg

02.07.1926 in Heiligenhaus, umgekommen in Riga

Albert Joseph

1862, deportiert: 22.07.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 27.09.1942

Julie Joseph

1866, deportiert: 22.07.1942 nach Theresienstadt,

† 9.01.1943

Arthur Mansbach

1898, deportiert 1941, † Riga

Johanna Mansbach geb. Hirtz

1890, deportiert 1941, † Riga

Fritz Mansbach

1826, deportiert 1941 nach Riga, † KZ Buchenwald

Ernst Mansbach

1937, deportiert 1941,

† Stutthof

Anna Mansbach, geb. Marx

1865, deportiert 1942, † Izbica

Hermann Stein

1877, deportiert 1941, ermordet in Lodz

Sara Stein, geb. Rosenberger

1885, deportiert 1941, ermordet in Lodz

Josef Cohnen

1873, inhaftiert 15.07.1938 in Düsseldorf, † 18.07.1938

Ernst Cohnen

1904, Flucht nach Holland 1934, deportiert 1943 nach

Sobibor, ermordet 23.07.1943

Franz Sistemich

1901, ermordet am 22.02.1945 im KZ Flossenbürg

Helene Steffens

1916, eingewiesen in die Klink Süchteln 1938, ermordet in der „Heilanstalt“ Hademar

Hans Funger

1891, im Widerstand, verhaftet 15.2.1937, Zuchthaus Celle, brutal und unmenschlich hingerichtet 11.4.1945

Max Salm

1887, deportiert 1942, Theresienstadt, ermordet 6.6.1943

Julie Salm geb. Judenberg

1888, deportiert 1942, Auschwitz, ermordet 1944

Hermann Milchtajch

1892, ermordet: 1944 in Auschwitz

Selma Milchtajch, geb. Cahn

1900, ermordet: 1944 in Auschwitz

Günther Milchtajch

1928, ermordet: 1944 in Auschwitz

Isaak Gottschalk

1868, ermordet: 29.09.1942 in Maly Trostinec

Hermine Gottschalk

1866, ermordet 1942 in Maly Trostinec

Matha Gottschalk

1911, ermordet: in Riga

Sally Vasen

1881, Flucht 1939, Belgien, deportiert, Gurs, ermordet 16.1.1941

Paula Vasen,

deportiert 1941, ermordet in Lodz

Paula Stein, geb. Winter

1884, Flucht nach Holland 1938,deportiert 1943 nach Auschwitz, ermordet 08.04.1944

Irma Stein

1908, Flucht nach Holland 1938, deportiert 1943,

ermordet in Auschwitz

Fritz Stein

1909, verhaftet 1935, KZ Esterwegen, Flucht nach Holland 1938, deportiert 1943,

ermordet in Aus

chwitz.

Aaron Albert Heumann

27.03.1872 in

Eschweiler, misshandelt, getötet 1940 in Neuss

Erich Heumann

05.08.1905

in Köln, Flucht nach Holland 1935, deportiert 1943, ermordet 1945 in Auschwitz.

(Kurier-Verlag)
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