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Ein Jahr danach: Hat sich was bei der Neusser Tafel getan?

Ein Jahr danach: Hat sich was bei der Neusser Tafel getan?

Ein Jahr ist es her, dass Georg Abshof im Stadt-Kurier auspackte und schockierende Missstände bei der Neusser Tafel aufdeckte. Der ehemalige Mitarbeiter kritisierte, dass sowohl Bedürftige als auch ehrenamtliche Helfer ungerecht behandelt würden.

Seither gingen dutzende Hinweise in der Redaktion ein – die noch viel schlimmere Dinge ans Licht brachten. Heute, genau ein Jahr später, scheint sich die Lage nicht gebessert zu haben. Im Gegenteil: Die Bedürftigen müssen noch immer in der Kälte anstehen und sind Wind und Wetter ausgesetzt.

Es ist Mittwoch, 15 Uhr. Draußen ist es ungemütlich, Bei Temperaturen um die 3 Grad peitscht einem der Regen ins Gesicht. Ein Wetter zum Daheimbleiben. Viele bedürftige Neusser haben aber keine andere Wahl, als in die Kälte zu gehen: Denn mittwochs um diese Zeit öffnet die Lebensmittelausgabe der Neusser Tafel. Gewartet wird draußen vor der Türe.

Das sei jetzt schon seit vielen Monaten so, sagen einige Frauen und Männer, die anonym bleiben möchten. Sie haben Angst, dass Rebecca Schuh, Vorsitzende der Neusser Tafel, ihnen die wichtigen Lebensmittel verwehrt, wenn sie öffentlich auspacken. Immerhin soll sie schon einige Menschen wieder mit leeren Händen nach Hause geschickt haben.

Dabei gibt es viel, das sie zu erzählen haben. „Hier darf niemand auf Toilette gehen, wenn er muss. Selbst Alte oder Kinder werden abgewiesen“, sagt eine Bedürftige. Bereits eine Dreiviertelstunde vor der Essensausgabe sammeln sich die ersten Hungrigen vor dem abgelegenen Gebäude im Barbaraviertel. „Den ganzen Winter über mussten wir in der Kälte ausharren“, klagt ein Senior, dessen schmale Rente zu knapp ist. „Anfangs durften wir noch im warmen Vorraum warten, später ist dies aus Sicherheitsgründen aufgehoben worden“, so ein Besucher. Drinnen dann die nächste Enttäuschung: Die Ausbeute ist karg, mit einem Kohl ist das kleine rote Körbchen, das sich die Bedürftigen befüllen dürfen, schon fast voll. Zuhause muss aussortiert werden: „Manche Dinge sind einfach welk oder ungenießbar. Wir wollen aber nicht undankbar sein und sagen an der Ausgabe nichts“, gibt eine Neusserin zu. Derweil wächst auch von außen die Kritik immer mehr. „Mir wurden etliche Beschwerden bezüglich der Neusser Tafel zugetragen“, so Linken-Chef Sperling. Der Vorsitzende des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden kritisiert: „Mir missfällt die Art und Weise wie Frau Schuh ihr Amt ausführt. Sie residiert fürstlich auf ihrem Platz und entscheidet scheinbar willkürlich, wer Lebensmittel bekommt und wer nicht. Wir von den Linken sehen die Tafel an sich ohnehin als kritisch an. Sie sollte gar nicht erst notwendig sein.“

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Schuh äußert sich dagegen nur über ihren Anwalt: „Aufgrund des großen Andrangs war es bereits vor fünf bis zehn Jahren notwendig, die Bedürftigen draußen vor der Türe warten zu lassen. Was die Toiletten betrifft, dürfen diese in Notfällen genutzt werden. Da die Putzfrau sich irgendwann weigerte, die sanitären Anlagen zu reinigen, sah Frau Schuh von einer generellen Öffnung der Toiletten ab. Rechtlich ist das legitim, da es sich bei der Tafel um keinen gastronomischen Betrieb handelt.“

(Kurier-Verlag)