Bürgermeister Herbert Napp sagt "Tschüß"! In Wahlen unbesiegt

Exklusiv | Neuss · Wenn Herbert Napp am 25. Oktober endgültig aus seinem Amt als Bürgermeister von Neuss ausscheidet, um seinen wohlverdienten Ruhestand zu beginnen, hat er rund 18 Jahre als "erster Bürger" unserer Stadt und uns gedient.

 Der Fraktionschef der Linken, Roland Sperling, hat dem Stadt-Kurier und Bürgermeister Herbert Napp eine Karikatur geschenkt.

Der Fraktionschef der Linken, Roland Sperling, hat dem Stadt-Kurier und Bürgermeister Herbert Napp eine Karikatur geschenkt.

Foto: www.karikaturist-filippo.de

Ebenso in der kommunalen Energie- und Wohnungswirtschaft, in der Landesplanung und im Städtetag. Nur von Ulm ist eine Parallele bekannt. Das ist für sich genommen schon Grund genug, ihm zu danken und seine Leistung anzuerkennen. Zuvor war er seit 1973 ehrenamtliches Mitglied des Stadtrates und Fraktionsvorsitzender der CDU, der keine Abstimmung verlor.

In all diesen Jahren hatte Herbert Napp das Vertrauen seiner christlich-demokratischen Unions-Freunde und vor allem der Wählerinnen und Wähler von Neuss. Auch selten in Deutschland: Ein CDU-Mann an der Spitze einer "kleinen aber feinen Großstadt", wie er Neuss selbst beschrieb. Einer Stadt, die von Hafenwirtschaft und Industrie, Handel und Gewerbe und auf diese Weise von ihrer heimattreuen Arbeitnehmerschaft geprägt ist.

Nicht immer waren die Wahlergebnisse überschäumend oder sind so gut für ihn und die CDU geblieben, wie sie früher einmal waren. Ob und inwieweit Herbert Napp Mitverantwortung für das neuerliche Wahldebakel der CDU trägt, darf als Frage gestellt werden. Für eine Antwort ist es noch zu früh. Mit Recht kann Herbert Napp aber ein Wort des Reichspräsidenten Ebert für sich selbst abwandeln: "in Wahlen unbesiegt".

Die Leistungen, Erfolge und Misserfolge von Herbert Napp, seine Verdienste um Neuss und ihre Bürgerinnen und Bürger lassen sich bei seinem Ausscheiden aus dem Amt weder gerecht noch vollzählig würdigen und gewichten. Zu sehr schwankt sein Bild — um klassische Literatur zu zitieren — "von der Parteiengunst umgaukelt in der Geschichte".

Auch Rückblicke brauchen Zeit um zu reifen. Napp hat eben nicht selten polarisiert. Verständlich, dass es deshalb — und nicht nur deshalb — unterschiedliche Stimmen in dem jetzigen vielstimmigen Chor der Beteiligten und der Beobachter gibt — unter Frauen und Männern gleichermaßen verteilt.

Seit dem Ende des letzten Krieges 1945 hat die CDU in Neuss die Bürgermeister gestellt, die bis zur Einkreisung 1975 und der etwas kleinteiligen anderen Meinung des Landtages den stolzen Titel "Oberbürgermeister" trugen: Alfons Frings, der in schwerster Nachkriegszeit, von Herkunft und Amtsführung unangefochten, Orientierung und Hoffnung war, mutige Worte fand und ausgleichende Gerechtigkeit bewies, Peter Wilhelm Kallen, der mit großer Tatkraft ungelöste Probleme anging, das schnelle Wachstum der Bevölkerung von Neuss meisterte und Neuss mit der CDU zur "sozialen Großstadt" formte, Herbert Karrenberg, der das begonnene Werk von Peter Wilhelm Kallen fortsetzte und mehrte, mit diplomatischem Geschick und Redekunst zu überzeugen vermochte, vielfach Richtungen wies und die kommunale Neugliederung erfolgreich begleitete — Neuss bleibt selbstständig , wird größer und gewinnt viele neue Neusser hinzu.

Hermann Wilhelm Thywissen, der das traditionsreiche Neuss verkörperte, zu helfen und auszugleichen vermochte und sorgsam hütete, was gewachsen und gut war in Neuss und der zugleich auf eine bessere Zukunft hin dachte und handelte.

Dr. Berthold Reinartz, der den Wandel der Stadt in die moderne Zeit vorantrieb, Neues wagte und den Weg in neue Denkweisen aufzeigte.

Welchen Platz Herbert Napp nun im Bewusstsein derer hat oder künftig finden wird, die ihn unterstützten und derer, die ihn bekämpften, ist noch nicht entschieden. Viele Kämpfe hat er im Stadtrat austragen müssen — und nicht nur dort. Nicht selten unangemessen und ehrverletzend angegriffen, aber zurückschlagend mit Florett oder wenn geboten mit dem rednerischen Säbel des gelernten Rechtsanwaltes.

Auch mit seinen politischen Freunden hatte er es nicht immer leicht — und er hat es ihnen auch selbst manchmal — ja öfters — schwer gemacht. Hinter verschlossener Tür ging es gelegentlich heiß und hoch her. Im Stadtrat, in der Öffentlichkeit also, konnte er sich auf seine Union verlassen — selbst auf seine internen Kritiker. Und er zeigte auch Größe, wenn ihm zu Recht geraten wurde, seine Auffassung zu überdenken. Nur selten wich Herbert Napp von der Meinung der Mehrheit oder seiner politischen Freunde ab. Vor der Gefahr, sich immer wieder wechselnde Mehrheiten beschaffen zu wollen oder gar zu müssen, bewahrten ihn kluge interfraktionelle Absprachen.

Dass Herbert Napp den Unwillen der übergeordneten Instanzen hin und wieder auslöste, gehört zum politischen Geschehen. Neuss, das der Gesetzgeber durch die Einkreisung gebeutelt hatte, den Titel eines Oberbürgermeisters verweigerte und durch Funktionalreformen Zuständigkeiten und Finanzen wegnahm, musste an vielen Fronten verteidigt werden. Zuletzt noch gegen den Kreis in der millionenschweren Frage, wer in Neuss Altpapier einsammeln und die Erträge behalten darf. Napp setzte sich durch. Er verlor, als es um seine Nebeneinkünfte ging. Da hatte der Streit um den Hypothekenfond schon eine andere Dimension. Obwohl der Stadtrat mit diesem Fond über Jahrzehnte erfolgreich gearbeitet hatte, sah das Rechnungsprüfungsamt plötzlich für das kommunale Recht angeblich erschütternde Probleme, ja sogar Skandale. Herbert Napp folgte zunächst der Bewertung seiner Prüfungsbeamten, stieß aber bei seinen politischen Freunden auf heftigen Widerstand. Seine Meinung korrigierte er, zumal er in Kollegenkreisen dar ob bewundert und um Rat befragt wurde, wie man es denn in Neuss schaffe, plötzlich Millionen mehr zu haben und darüber auch noch streiten müsse, während andere Kämmerer bei solcher Suche verzweifelnd vor einem Nichts stünden.

Daran gemessen ist die Aufregung über Zigarettenqualm im Dienstzimmer des Bürgermeisters eine belustigende Petitesse — immerhin mit bundesweiter Aufmerksamkeit in den Medien und verbunden mit dem Erwerb der Titel "Vesuv von Neuss" und "Verteidiger der Freiheit des Rauchers". Glücklich eine Stadt, die andere Probleme kaum zu haben scheint.

Immerhin kann Herbert Napp auf Erfolge seiner 18 Jahre verweisen: Die Neusser Kasse stimmt, man hat zwar Schulden aber noch mehr an Vermögen der öffentlichen Hand, gefährliche Zinswetten wurden zwar abgeschlossen aber rechtzeitig beendet, Schwierigkeiten sind im Griff, Wirtschaft, Handel und Gewerbe blühen, was die wieder stark gewachsene Gewerbesteuer belegt, die Sparkasse macht guten Gewinn,

die Ansiedlung namhafter Unternehmen ist gelungen. So Rheinpark-Center, Euromoda, Möbelhaus Höffner, ebenso wie der Erhalt bestehender Betriebe, zum Beispiel Pierburg, Ausnahme: Ehemals Bauer und Schaurte.

Die Kreisverwaltung kommt zu Teilen endlich nach Neuss, das durchschnittliche Einkommen der Neusser liegt über dem landesweiten Schnitt, soziale Spannungen gibt es zwar, sind aber überschaubar, Mitarbeiter werden nicht alle zufrieden sein, jedoch sind keine Streitigkeiten von Gewicht mit ihren Vertretungen im Rathaus und bei den städtischen Töchtern ausgebrochen, die Neusser Gesellschaft ist durchweg zufrieden mit sich selbst, die Umwelt ist geschützt, zumal stadtplanerisch umsichtig gehandelt wurde und Neuss mehr natürliches Grün hat, als die Grünen noch fordern könnten, die Kultur ist vielfältig — ihre Förderung erfordert alljährlich hohe Summen, das Landestheater hat eine neue Heimstatt, das Romaneum schließt eine im Bombenkrieg entstandene hässliche Lücke des Stadtbildes, Museum, Stadtarchiv, Haus Rottels, Theater am Schlachthof, die Heimatfreunde und viele andere bürgerschaftlichen Zusammenschlüsse beweisen, dass eine moderne Stadt heute nicht mehr kriegerisch auf den Wällen und Türmen ihrer Befestigungen verteidigt wird sondern durch soziale Zuwendung und lebendige kulturelle, geistige und geistliche Vielfalt, das Schulwesen ist geordnet,— der Schulfrieden ist gewahrt,

Neuss ist wieder Hochschulstadt und international ausgerichtet, der ewige Streit um die Straßenbahn in der Innenstadt ist nach Jahrzehnten durch einen anerkannten und schlauen Kompromiss gelöst, zudem ist Neuss schöner geworden, die Innenstadt ist attraktiver, der Markt autofrei.

Rund um das Hafenbecken eins wächst eine neue Stadtlandschaft, auch Allerheiligen wird größer, der Bahnhof bleibt jedoch dreckig.

Kindertagesstätten sind ausreichend vorhanden , die Absicht, sie gebührenfrei zu machen, scheitert an der Finanzkrise.

Feste werden gefeiert, wie sie fallen und einige sind neu hinzu erfunden, die Stadthalle bleibt erhalten und wird durch das Dorint-Hotel ergänzt, der Sport ist zwar nicht überall auf höchstem Niveau, aber breit angelegt und mit vielen Einrichtungen ausgestattet, die Skihalle ist trotz örtlichen Widerstandes entstanden, beim großen Fußball hapert es jedoch,

das Europa-Meisterschaftsstadion versank im Planungsstadium, Jugendfürsorge, Altenpflege und Gesundheitswesen sind intakt, die städtischen Lukaskrankenhaus und Rheintorklinik und ihre Ärzte erzielen beste Noten. Das gilt auch für die Augustinus Kliniken und ihre neuen Einrichtungen, die das anerkennende Lob des Bürgermeisters allerdings all zu oft entbehren.

Selbst mit Düsseldorf und jetzt sogar mit Rommerskirchen gelingt Zusammenarbeit: In der Hafenwirtschaft, der Wasseraufbereitung, dem Babyrettungswagen, der Straßenbahn, in der Datenverarbeitung.

Zugleich wurden weitere Begehrlichkeiten der rechten Rheinseite abgewendet, die Neusser Stadtwerke zu schlucken, den "städtischen Töchtern" geht es durchweg gut, zumal ihnen manche frühere Aufgabe der Verwaltung übertragen wurde. Bei der Bekämpfung der Korruption in der Stadtverwaltung gab es allerdings einige Schwächen, die Unterbringung einer großen Zahl von Flüchtlingen wird kraftvoll angepackt.

Ein Bürgermeister hat an dem, was in seiner Stadt geschieht, vielfachen und manchmal entscheidenden Anteil. Er plant, bereitet vor, schlägt vor, entscheidet im Rahmen seiner Zuständigkeit, handelt, erläutert, redet, lobt und tadelt. Und gelegentlich schweigt er sogar. So auch Herbert Napp. Das hätte er insbesondere nach der Wahl tun sollen, zumal er als geborenes Mitglied des CDU-Vorstandes zumindest kollektive Verantwortung hat. Es lässt sich noch manches mehr wünschen: aber solche Erwartungen sollten nicht übertrieben werden und das Mögliche im Auge behalten bleiben.

Fragt sich bei all dem: Wo steht Napp, was und wie denkt er, was sind seine Leitbilder und hat er persönlich danach gelebt, wie er es von Anderen, namentlich seinen Untergebenen abverlangt und von seinen politischen Freunden eingefordert hat?

Die Antwort kann nur er selbst geben. Diejenigen, die ihn beobachtet haben, werden in ihren Feststellungen kaum übereinstimmen. Verständlich. Denn in achtzehn hauptberuflichen Jahren und weiteren Jahren ehrenamtlichen politischen Einsatzes sind so viele Ereignisse eingetreten, gibt es so viel an Handeln und Unterlassen, so Viele, die mit ihm zusammengetroffen oder gar an einander geraten sind, dass ein einheitliches Bild nicht zu zeichnen ist — jedenfalls jetzt nicht. Erst muss die Zukunft Eckiges abschmelzen und Vergleiche erlauben, Milde aufkommen lassen und vielleicht auch Verklärungen.

Fest steht indes: Seit den Tagen, in denen Herbert Napp der Jungen Union beitrat, bejaht und beachtet er das Grundsatzprogramm der christlich-demokratischen Union und dessen Grundwerte: Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Zwar nicht immer lückenlos aber stets bemüht, ausgestattet mit der "Freiheit des Denkens" und der Bereitschaft zur Verantwortung. Und ganz besonders mit Treue zur Stadt Neuss. Da will er hinter Niemanden Zweiter sein.

Schützenkönig war er, Ehrenobrist der Stadt-und Prinzengarde ist er. In rheinischen Landen verträgt sich das. Kein Wunder, dass er oft da, wo die größte Bürgerinitiative für Neuss, nämlich die Schützen, ihre Meinung sagt, zur "Ehre einer Fackel erhoben" wurde. Nicht immer schmeichelhaft, aber immer sehr trefflich.

Manch flotte Rede hat er gehalten. Auch ein paar langweilige, unengagiert vorgetragene. Selten hat er dabei auf Rekeleien und rhetorische Seitenhiebe verzichtet. Freunde und Feinde waren´gemeint — und sogar die Presse. Das hat die Zahl seiner Anhänger nicht gerade vergrößern können.

Auch wenn Enttäuschungen nicht ausgeblieben sind, politische und persönliche Zustimmungen nicht allerorts bestehen und auch gar nicht bestehen könnten: Respektvolle Anerkennung für seinen Einsatz, für seine Leistungen und Erfolge, für sein Stehvermögen kann dem nun aus dem Amt scheidenden Bürgermeister Herbert Napp nicht versagt werden. "Herbert Napp kann Bürgermeister" und nun heißt es: Herbert Napp "konnte Bürgermeister".

Am 24. Oktober, 11 Uhr, Alte Post an der Neustraße in Neuss, werden die Heimatfreunde Neuss Herbert Napp ihre höchste Auszeichnung verleihen: "Hermann von Hessen —Verteidiger der Stadt Neuss".

Diese hoch angesehene Auszeichnung erinnert an Hermann von Hessen, den Kommandanten in der von Karl dem Kühnen in den Jahren 1474 und 1475 elf Monate lang vergeblich belagerten Stadt und den Sieg der Neusser über ihre Feinde und erkennt zugleich an, wofür mit großem Einsatz der jeweils Ausgezeichnete eingetreten ist, nämlich für Neuss.

(Kurier-Verlag)
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