1. Neuss

Nur eine „Affäre Napp“?

Nur eine „Affäre Napp“?

Die CDU Neuss steckt in einer existenziellen Krise. Sie hat zwei schwere Wahlniederlagen eingesteckt, ihr Personal ist hoffnungslos veraltet und sie wird mehr und mehr von Skandalen eingeholt. Dies war seit Jahren absehbar. Doch sind die neuesten Vorfälle wirklich nur eine Affäre Napp? Meines Erachtens ist dem mitnichten so, auch die wackere "Nachfolge"generation — soweit man in Anbetracht des Lebensalters der Beteiligten diesen Begriff verwenden mag — ist betroffen:

Die Kandidaten-Kandidaten Thomas Nickel und Helga Koenemann sind neben Bürgermeister Napp und der Parteivorsitzendem Dr. Geerlings Mitglieder der so genannten "Montagsrunde". Die Angehörigen dieses erlauchten Kreises kann man getrost als die politisch bestinformierten Bürger der Stadt bezeichnen. Und sie wollen wirklich so gar nichts von der Beauftragung Taylor Wessings und den familiären Verstrickungen Napps mitbekommen haben?

Taylor Wessing ist in Zusammenhang mit einem Planungsvorhaben beauftragt worden. Nun wird aber eine Kanzlei in der Regel nicht unsichtbar tätig, vielmehr dürfte sich die Beauftragung in den Unterlagen von Planungs-, Bau- und sonstigen beteiligten Ausschüssen widerspiegeln. Sowohl Nickel als stellvertretender Bürgermeister, wie auch Koenemann als Fraktionsvorsitzender liegen diese Unterlagen vollumfassend vor. Dass ein einfacher Stadtverordneter, dem in Ermangelung vollständiger Unterlagen der Kontext fehlt, die Zusammenhänge nicht erkennen kann, mag ich nachvollziehen. Aber selbst der Vize-Bürgermeister wie auch die Fraktionsvorsitzende wollen trotz ihres Wissensvorsprungs immer noch nichts bemerkt haben? Sie haben sich nicht die Frage gestellt, "Moment, von wem kommt jetzt auf einmal dieser Auftrag? Wer hat das entschieden?". Und weitergehend "Ist das nicht die Kanzlei der Ehegattin des Bürgermeisters?". Dies soll tatsächlich niemandem aufgefallen sein? Zumal Frau Koenemann — selbst seit Jahrzehnten Anwältin — klar wissen dürfte, dass eine entsprechende Beauftragung einer Großkanzlei nicht im vierstelligen, sondern sechsstelligen Kostenbereich liegen dürfte. Es wäre absurd, langjährigen Kommunalpolitikern so viel Naivität zu unterstellen! Viel eher dürfte es so gewesen sein, dass man sich hier aktiv Mühe gegeben hat, nichts zu sehen, weil man nichts sehen wollte! Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen war schon immer das Parademotto der Führungsriege der Neusser Christdemokraten. Koenemann und Nickel sind meiner Meinung nach in das System Napp viel tiefer verstrickt, als sie heute zugeben wollen. Sie dürften in diesem System sogar eher einen funktionalen Status inne gehabt haben, als nur duldende Zuschauer gewesen zu sein.

Die CDU Neuss braucht dringend einen Neuanfang. Sie benötigt hierzu einen jüngeren, unverbrauchten und unbelasteten Kandidaten. Mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Kandidaten kann das denklogisch nur Sebastian Rosen sein. Die CDU Neuss sollte sich darauf besinnen, dass sie — Gott sei es gedankt — wenigstens noch einen aufrechten, jüngeren Politiker in ihren Reihen hat, der sich nicht wegbeißen ließ. Viele sind es in den letzten 15 Jahren nicht geblieben.

Thema: Korruptionsverdacht (wwww.stadt-kurier.de)

Tobias Grosse-Brockhoff ist aktiver CSU-Politiker in Bayern und Sohn des ehemaligen Neusser Stadtdirektors und Kultur-Staatssekretärs NRW.

Vor einigen Jahren prägte er mit andern "jungen Wilden" die CDU Neuss.

(Kurier-Verlag)