1. Neuss

Wohnungsnot macht Kinder obdachlos Aber Bauvereins-Bosse lieben ihren Luxus

Wohnungsnot macht Kinder obdachlos Aber Bauvereins-Bosse lieben ihren Luxus

Wohnraum ist besonders für arme Menschen und Familien in Neuss Mangelware. An diesem traurigen Trend scheint sich erstmal nichts zu ändern, im Gegenteil: Gab es im Jahr 2003 noch 11.250 Sozialwohnungen in der Quirinusstadt, waren es im vergangenen Jahr nur noch rund 7.850. Und während die Not für Betroffene immer größer wird, ließen es sich fünf Vertreter des Neusser Bauvereins bei der Expo Real in München gut gehen — auf Kosten der Steuerzahler.

Es ist Tradition, dass die Stadt Neuss im Rahmen der Fachmesse für Immobilien einige Gäste zum "Nüsser Ovend" einlädt, diesmal ins Nobel-Weinhaus Neuner. Die Rechnung geht ebenfalls auf den Steuerzahler. Wer und wie viele Gäste es waren — darauf gibt der Bürgermeister keine Antwort. Auch über die Höhe der Kosten will die Stadtspitze trotz mehrfacher Nachfrage nichts konkretes sagen. Nur so viel: "Beim Weinhaus Neuner handelt es sich um eine durchschnittliche Gaststätte mit einem angemessenen Preis- Leistungsverhältnis", behauptet Bürgermeister Herbert Napp. Ein Blick in die Speise- und Getränkekarte verrät, dass sich der Durchschnitts-Neusser wohl zweimal überlegen müsste, dort essen zu gehen. Ein Menü mit Hauptgang und Dessert kostet 52 Euro — ohne Getränke. Geboten werden unter anderem ausgewählte Luxusgerichte wie Mousse von geräuchertem Lachs mit Hummercreme, Paillard vom Wagyu Rind oder Fillet vom Heilbutt an Champagnersoße. Zum Nachtisch werden französische Käsespezialitäten oder Weißbier-Tiramisu serviert. Die Flasche Wein schlägt mit 37 Euro zu Buche — das alles auf Kosten der Neusser Steuerzahler.

Und auch der Aufenthalt der vielen Messevertreter aus Neuss dürfte nicht gerade ein Schnäppchen gewesen sein. Wozu also die teure Münchenreise? Der Bürgermeister erklärt: "Ich als Aufsichtsratsvorsitzender der Neusser Bauverein AG will feststellen, dass insbesondere im Hinblick auf das zentrale Thema der Immobilienmesse, nämlich Wohnungsbau mit all seinen zahlreichen Facetten, die Anzahl der Vertreter der Neusser Bauverein AG in der Breite sachkundig und angemessen war." Dabei verweist die Stadtspitze auf eine Vielzahl von Gesprächen, die es während der Messe gegeben habe. Was dabei herumgekommen ist, darüber schweigt sich der Bürgermeister jedoch aus. Fakt ist, dass die Wohnungsnot in Neuss steigt. "Gerade bezahlbarer Wohnraum wird immer weniger", gibt Roland Sperling, Fraktionschef der Linken zu bedenken. "Es gibt in Neuss obdachlose Kinder — das darf nicht sein. Dagegen müssen wir etwas tun. Wir müssen mehr bezahlbare Wohnungen bauen. Und zwar mit Quote in jedem Baugebiet", so Sperling.

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Die Zahl der Hartz IV Haushalte steigt — im Laufe des vergangenen Jahres um 348 auf 15.398 — die Zahl der Sozialwohnungen sinkt. Der Bürgermeister erklärt den alarmierenden Trend: "Hintergrund sind die großen Wohnungsbestände im Geschosswohnungsbau, die in den 60er bis Ende 70er Jahr errichtet wurden. Diese Objekte fallen nunmehr aus der langjährigen Bindungsfrist. Die Stadt beschäftigt sich mit der Frage, was für den Wohnungsmarkt erforderlich ist".

Währenddessen laufen die Vorbereitungen zum Abriss der drei verbliebenen Hochhäuser an der Hülchrather Straße in Weckhoven. Bis zum Frühjahr 2015 sollen die ehemaligen Sozialwohnungen dem Abrisshammer zum Opfer fallen. Zuvor hat das Gebäude mit der Hausnummer 37 eine "besondere" Funktion bekommen. Es wurde zum Kunstwerk auf Zeit. Fünf Künstler der Graffiti-Crew "The Band" schufen ein meterhohes Bild auf der Außenfassade. Kosten für Honorare, Sprühdosen, Kräne und Co. übernahm der Bauverein. Auch hier gibt es seitens der Stadtspitze keine genauen Angaben zu der Höhe der Kosten.

Fraglich, ob das Kunstwerk, das ohnehin in wenigen Monaten abgerissen wird, einen Nutzen für die vielen Wohnungssuchenden in Neuss hat.

(Kurier-Verlag)