Die neuen Jugendseelsorger: So wollen sie die Kids wieder in die Kirche holen

Neuss · Sie sind die neuen Jugendseelsorger für den Rhein-Kreis Neuss, Düsseldorf und Mettmann: Pfarrer Norbert Fink, Patrizia Cippa und Regine Klein. Mit dem Stadt-Kurier sprachen sie über die Herausforderungen der Kirche und darüber, wie sie die Jugend zum Glauben zurückführen wollen.

 Regine Klein (l.), Pfarrer Norbert Fink und Patrizia Cippa wollen die Jugend wieder in die Kirchen zurückholen.

Regine Klein (l.), Pfarrer Norbert Fink und Patrizia Cippa wollen die Jugend wieder in die Kirchen zurückholen.

Foto: Violetta Fehse

Es ist kein Geheimnis: Wer in die Kirchen schaut, findet wenige junge Menschen vor. Wie wollen Sie die Jugend wieder erreichen?

Fink: Das ist eine sehr schwierige, aber auch wichtige Frage. Wir müssen die Jugend erreichen, weil sie die Zukunft der Kirche sind und wenn wir sie nicht mobilisieren, stirbt die Kirche. Also müssen wir ausprobieren, was gebraucht wird und was funktioniert. Wir haben das Gefühl, dass viele Jugendliche sich in den Sonntagsgottesdiensten nicht mehr wohlfühlen. Also bieten wir einen anderen Rahmen mit moderner Musik und einer für die Jugend ansprechenden Predigt. Auch denken wir uns Aktionen aus, die interessant sein könnten.

Cippa: Wir versuchen den Jugendlichen auch klar zu machen, dass wir als Ansprechpartner für sie da sind, dass sie in Krisensituationen anrufen können. Wir bauen Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen auf, indem wir vor Ort sind. Zuletzt gab es nach einem Gottesdienst noch einen Partybus. Da war ich dann auch dabei. Es ist wichtig, dass nach den Messen nicht alle wieder auseinandergehen, sondern noch einen Moment zusammenbleiben, egal ob im Partybus oder im Café — das stärkt das Gemeinschaftsgefühl.

Klein: Es ist eben auch wichtig, deutlich zu machen, dass die Gottesdienste nur ein Teil der Kirche sind. Da gibt es aber sehr viel mehr. Dieses Gemeindeleben versuchen wir den jungen Menschen eben zu vermitteln.

Wie wichtig sind die sozialen Medien für Ihre Arbeit?
Fink: Ich nutze sie sehr rege. Bin auf YouTube, Facebook, Instagram und WhatsApp aktiv. Unser Team ist klein und arbeitet für ein sehr großes Gebiet, daher ist es nützlich, mithilfe der Netzwerke eine so große Reichweite zu erzielen.

Cippa: Wobei es natürlich auch eine Herausforderung ist, immer up to date zu bleiben. Gerade bei den sozialen Medien ändern sich die Trends sehr schnell. Facebook scheint fast wieder out zu sein. Wir müssen genau beobachten, wo wir wen erreichen. Und: Wir müssen natürlich mehr machen. Der persönliche Kontakt ist ebenso wichtig. Viele vollen auch telefonieren.

Fink: Ich mag telefonieren nicht. Da rede ich lieber persönlich mit den Menschen.

Cippa: Ich natürlich auch. Aber das telefonische Angebot wird bei mir eben auch viel genutzt.

Moment mal. Sie sind zu dritt und beackern mit dem Rhein-Kreis Neuss, Mettmann und Düsseldorf ein riesengroßes Gebiet. Da haben Sie noch Zeit zu telefonieren?
Cippa: Es ist richtig, wir haben ganz schön viel zu tun. Aber ich habe festgestellt, dass sich viele Jugendliche schon zufriedengeben, wenn wir auch nur kurz drangehen und später zurückrufen. Das klappt gut. Wir verfügen alle über Diensthandys und unsere Nummern sind öffentlich.

Fink: Bei mir ist es so, dass ich viel im Netz angeschrieben werde. Ich habe das Gefühl, dass die Jugendlichen diese Art von Anonymität gern haben und sich so sicherer fühlen.

Klein: Und nicht zu vergessen ist, dass wir auch für die Schulseelsorge an den beiden erzbischöflichen Schulen, dem St. Ursula Berufskolleg und dem St. Ursula Gymnasium in Düsseldorf zuständig sind.

Sie sind nah dran. Welche Themen beschäftigen die Jugend in der heutigen Zeit?
Cippa: Häufig sind es Alltagsprobleme. Wenn sich die Eltern beispielsweise streiten oder sogar scheiden lassen oder jemand aus der Verwandtschaft stirbt, sind wir da und geben Rückhalt.

Fink: Ich glaube, dass die Zukunft viele junge Menschen beschäftigt. Bei der großen Auswahl an Möglichkeiten werden viele verunsichert.

Cippa: Auch das Thema Mobbing ist ein großes — gerade im Internet. Das nagt dann häufig am Selbstbewusstsein der Betroffenen. Auch da ist die Herausforderung zu erkennen, wann wohlmöglich an einen Psychologen vermittelt werden muss.

Pfarrer Fink, die Videos von Ihnen als rappenden Pfarrer erreichten über 30.000 User. Haben Sie durchweg positive Reaktionen bekommen?
Fink: Größtenteils. Natürlich bekomme ich hier und da auch Kritik, aber ich konnte so eben sehr viele junge Menschen erreichen, vielleicht zum Nachdenken anregen. Das war mein Ziel.

Es ist sicher ein zweischneidiges Schwert. Sie bringen Moderne in die Kirchen, doch es gibt viele Gemeindemitglieder, die auf Tradition beharren. Wie schaffen Sie diese Gratwanderung?
Fink: Wir machen einfach!

Klein: Ich habe da eine schöne Erfahrung gemacht. Als wir in einer Kirche eine Aktion veranstalteten, bei der wir Lichtinstallationen aufbauten und die Bänke weggeräumt hatten, kam während unserer Arbeiten eine Seniorin mit ihrem Rollator in die Kirche. Natürlich befürchtete ich, dass sie die Veränderungen furchtbar fand. Als ich ihr erklärte, dass wir etwas für die Jugend tun, war sie hellauf begeistert und freute sich über diese Initiative.

Fink: Man muss aber dazu sagen, dass man natürlich ein dickes Fell und einen langen Atem braucht. Es ist eben das Wesen der Kirche, dass sie sich verändert und nie gleich bleibt. Wir müssen neu gestalten, ergänzen, wo es nötig ist. Das ist mitunter auch unsere Aufgabe.

Ich frage noch einmal ganz konkret. Die Kirche vertritt Ansichten, die vielen Menschen in der heutigen Zeit überholt erscheinen. In diesem Jahr war beispielsweise die Homo-Ehe ein Riesenthema. Aber auch die abwehrende Haltung zur Abtreibung polarisiert. Wie gehen Sie damit um, wenn Sie von Jugendlichen auf solche Fragen angesprochen werden?
Cippa: Das Schlechteste ist, wenn man nichts sagt. Es kamen einmal ein paar Jugendliche auf mich zu und fragten, wie ich damit zurecht käme, dass sie ungläubig wären. Da fragte ich eben zurück, wie sie damit klar kommen, dass ich gläubig bin. An erster Stelle sollte man auch diese Fragen ernst nehmen und klar machen, warum die Kirche bestimmte Dinge so sieht. Thema Abtreibung zum Beispiel: Da geht es eben darum, Leben zu erhalten. Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir nicht immer konform mit der Kirche sind. Wir sind ja keine Marionetten. Auch wir arbeiten als Teil der Kirche am Wandel.

Fink: Wir begrüßen kontroverse Diskussionen und freuen uns, wenn die Jugendlichen uns als Ansprechpartner aufsuchen. Das muss natürlich stets respektvoll ablaufen.

Ein großes Problem für die Kirche ist sicher auch die Unwissenheit. Das haben Sie, Herr Fink, zuletzt in einem Facebook-Post thematisiert. Dort kritisierten Sie, dass in den Medien schon jetzt von der Weihnachtszeit gesprochen wird, obwohl sie erst mit dem Heiligen Abend beginnt...
Fink: Das ist richtig. Dieser Beitrag fand viel Beachtung. Die Leute schrieben teilweise, dass es wichtigere Dinge gäbe. Klar gibt es Wichtigeres. Es ist unter anderem aber unsere Aufgabe aufzuklären.

Woher kommt diese Unwissenheit wohl?
Cippa: Ich denke, das wird sehr stark von den Medien abhängen. Es wird ja schon in Trickserien teilweise ein völlig falsches Bild vermittelt. Da geht es beispielsweise um die Familie Nikolaus, gezeigt wird aber der Weihnachtsmann. Natürlich vermengen sich die Bilder und Kinder verstehen die Unterschiede nicht.

Fink: Ich frage mich manchmal, was den Kindern beigebracht wird. Wo spricht man noch über die Adventszeit? Was ist Thema im Religionsunterricht? Es wäre Aufgabe der Lehrer, zu sensibilisieren,

Cippa: Es scheint auch ein Trend zu sein, sich eine individuelle Spiritualität zuzulegen. Man wählt Elemente aus verschiedenen Religionen, die einem gefallen. Viele feiern das Weihnachtsfest, weil es eben schön ist, es heißt ja auch Fest der Liebe. Die Hintergründe werden aber verwischt — das ist nicht in unserem Sinne.

Kurz zum Schluss: Was sind heute die größten Herausforderungen für die Kirche?
Cippa: Dass sie mit der Zeit geht und aktuell bleibt.

Fink: Dass sie die Bedeutung beibehält.

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