Freiheitsberaubung in der Schule: Musiklehrer vom Gericht verwarnt

Kaarst/Neuss · Musiklehrer Philip Parusel hatte seine Schüler daran gehindert, nach dem Unterricht den Klassenraum zu verlassen. Deswegen hat ihn das Amtsgericht in Neuss jetzt verurteilt — wegen Freiheitsberaubung.

 Philip Parusel (links) zeigte sich nach dem Urteil erleichtert.

Philip Parusel (links) zeigte sich nach dem Urteil erleichtert.

Foto: Fotos: Violetta Buciak

Der Fall, der sich in der Kaarster Realschule ereignete, sorgte bundesweit für Aufregung. Dem Pädagogen Parusel wurde vorgeworfen, Schüler im Klassenraum festgehalten zu haben. Einen der Schüler soll er mit dem ausgestreckten Arm in den Bauch gestoßen haben. Zumindest für den Vorwurf der Körperverletzung wurde der 50-Jährige freigesprochen. Der betroffene Schüler sagte am Mittwoch aus, dass er nach dem Stoß leichte Schmerzen im Magenraum gehabt habe, die nach wenigen Minuten wieder weggingen. Parusel wies die Beschuldigung vehement zurück, er habe den Schüler lediglich zur Seite geschoben, als dieser sich vordrängeln wollte. Das Gericht glaubte ihm, sprach den Pädagogen aber für den Vorwurf der Freiheitsberaubung schuldig — beließ es dabei jedoch bei einer "Verwarnung mit Strafvorbehalt". Der Musiklehrer muss sich im Umgang mit undisziplinierten Schülern fortbilden. Andernfalls drohen ihm 1.000 Euro Geldstrafe.

Parusel zeigte sich erleichtert: "Ich bin jetzt froh, dass der Vorwurf der Körperverletzung aus dem Weg geräumt wurde. Das hatte mich am meisten getroffen." Auch die vom Gericht aufgebrummte Fortbildungsmaßnahme nimmt der Lehrer gelassen: "Ich bin ja froh und dankbar, wenn ich etwas dazulerne. Dass mein Unterricht perfekt ist, habe ich nie behauptet."

Dass es zu einem Verfahren in dem großen Rahmen und der Verwarnung gekommen ist, stimmt ihn dennoch nachdenklich: "Das erschwert uns unsere Arbeit ungemein. Das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Lehrern ist gestört, daran muss gearbeitet werden", so der 50-Jährige.

Richter Heiner Cöllen sprach vor der Urteilsverkündung von einer "Verwöhnpädagogik", die in unsere Gesellschaft Einzug gehalten habe. Er zeige "größtes Verständnis" für den harten Job des Lehrers.

"Früher hatten wir keine Smartphones, um die Polizei zu rufen und wenn wir zuhause unseren Eltern erzählt haben, dass wir ungerecht behandelt wurden, entgegnete man uns nur trocken: ,Dann wird der Lehrer wohl recht gehabt haben', dennoch müssen wir allein nach juristischen Kriterien entscheiden", begründete Cöllen seine Entscheidung.

Auch wenn es sich nur um wenige Minuten gehandelt habe, läge eine Freiheitsberaubung vor. Ob der Fall mit dem Urteil abgeschlossen ist, steht noch nicht fest. Staatsanwaltschaft und Verteidigung können noch Berufung beantragen.

(Kurier-Verlag)
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