Partylaune bei der SPD+++Gedrückte Stimmung bei der CDU+++Mit Bildergalerie Alle Infos zur Kommunal- und Bürgermeisterwahl 2020

Neuss · Was für ein spannender Wahlabend am gestrigen Sonntag! Auch wenn die CDU mit 36,4 Prozent (nach vorläufigem Endergebnis) immer noch die stärkste Kraft im Neusser Stadtrat darstellt, heißt der große Gewinner SPD: Nicht nur dass Bürgermeister Reiner Breuer es ohne Stichwahl geschafft hat, sein Büro im Rathaus zu behalten – mit einer absoluten Mehrheit von 52,9 Prozent. Die SPD sicherte sich auch noch stolze zehn Direktmandate – das sind acht mehr als bei der Kommunalwahl 2014.

Kommunalwahl 2020 in Neuss
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Impressionen von den Wahlpartys

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Foto: Kurier Verlag GmbH/Hanna Loll

Dementsprechend gut gelaunt zeigten sich die Sozialdemokraten bei ihrer Informationsveranstaltung zu den Wahlergebnissen am gestrigen Abend in der Wetthalle. Hier wurde gejubelt und gefeiert, schließlich konnte die Partei bei der Kommunalwahl ganze 32,4 Prozent der Stimmen (18.453 Wähler) überzeugen – im Vergleich zur Kommunalwahl 2014 ein sattes Plus von 5,1 Prozentpunkten. Die SPD hat damit 19 Sitze im Rat (neun Kandidaten kamen über die Reserveliste in den Rat, Anmerkung der Redaktion). Der Trend weicht hier deutlich von der SPD im Kreistag ab (28,4 Prozent, ein kleines Plus von 2,2 Prozentpunkten im Vergleich zu 2014).

Bei jedem der zehn Direktmandate (das heißt, dass der jeweilige Kandidat in seinem Wahlbezirk von der Mehrheit der Wähler gewählt wurde und damit einen sicheren Platz im Stadtrat hat, Anmerkung der Redaktion) wurde ausgelassen applaudiert und gefeiert. Waren es bei der Wahl 2014 nur Hakan Temel (Barbaraviertel/Bolssiedlung) und Heinrich Thiel (Neusserfurth) die sich aus den Reihen der Sozialdemokraten ein Direktmandat sichern konnten, kamen in diesem Jahr Michael Ziege (Innenstadt/Hammfeld), Claudia Föhr (Morgensternsheide), Daniel Handel (Hermannsplatz), Sascha Karbowiak (Stadionviertel), Marc Vanderfuhr (Dreikönigenviertel/Pomona), Enrico Braun (Berliner Platz), Arno Jansen (Weckhoven) und Juliana Conti (Obererft/Meertal) hinzu.

Und dann kam der Stargast zur Feier: Bürgermeister Reiner Breuer wurde mit Jubel und Goldregen von seinen Genossen begrüßt. Als das Ergebnis feststand – nämlich dass er mit 52,9 Prozent die Mehrheit der Wähler hinter sich vereinen konnte und ohne Stichwahl sein Amt für weitere fünf Jahre behalten kann – war die Freude groß. Der Klassiker „We are the Champions“ von Queen ertönte, Arno Jansen schnappte sich das Mikrofon und sang ausgelassen mit.

Auch Breuer war die Freude deutlich anzusehen: „Ich bin überglücklich und dankbar dass die Neusser das gemacht haben, was ich eigentlich auch erwartet habe – dass sie schlau sind und alles in einem Wahlgang erledigen“, so der gut gelaunte Bürgermeister am Wahlabend. „Ich nehme das Ergebnis dankbar an und werde das Vertrauen, das die Bürger mir entgegenbringen, in den nächsten fünf Jahren durch meine Arbeit zurückgeben.“ Gestern ließ er erst einmal die Anspannung des Wahlkampfes von sich abfallen und feierte noch ein wenig mit den Parteikollegen. „Der nächste Schritt sind dann parteiübergreifende Gespräche, in denen wir gemeinsame Ziele abstecken und über die künftige Gestaltung der Stadt Neuss diskutieren“, so Breuer.

Die CDU – mit 36,4 Prozent der Stimmen (20.713 Stimmen) immer noch stärkste Partei – fuhr ein historisch niedriges Ergebnis ein und hat im Verhältnis zu 2014 satte 3,4 Prozentpunkte verloren. Ganze 19 Direktmandate sicherten sich die Christdemokraten: Elisabeth Heyers (Stadtmitte), Axel Stucke (Kaarster Brücke), Thomas Loebelt (Weißenberg), Monika Mertens-Marl (Vogelsang), Björn Tuschen (Baldhof), Dr. Jörg Geerlings (Selikum/Reuschenberg), Dr. Achim Robertz (Reuschenberg/Weckhoven), Stefan Müller (Gnadental), Bernd Ramakers (Grimlinghausen), Guido Schuler (Rosellen), Stefan Crefeld (Uedesheim), Norbert Buschhüter (Erfttal), Prof. Dr. Jan-Philipp Büchler (Norf), Thomas Kracke (Derikum); Sven Schümann (Rosellerheide-Neuenbaum), Jessica Köster (Allerheiligen), Sebastian Heckhausen (Hoisten), Thomas Nickel (Holzheim) und Rolf Knipprath (Grefrath/Holzheim Nord).

21 Sitze haben die Christdemokraten jetzt im Stadtrat (die 19 Direktmandate und zwei Kandidaten von der Reserveliste). Das niedrige Ergebnis drückte auch die Stimmung aller auf der CDU-Wahlkampfabschlussveranstaltung auf Gut Gnadental. Zwar wurde jedes Direktmandat bejubelt, doch der Blick auf die aktuellen Zahlen sorgte immer wieder für Kopfschütteln. „Wir sind enttäuscht, wir haben etwas Anderes erwartet“, so Prof. Dr. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Neuss, „wir führen das auf den Bürgermeister-Effekt zurück, der auch in anderen Städten des Kreises zu beobachten ist. Er hat seine Partei mitgezogen gegen den Landestrend. Mit Düsseldorf kann man das zum Beispiel nicht vergleichen, weil da schon eine Wechselstimmung erzeugt wurde und die hatten wir hier noch nicht.“

Vorzuwerfen hätten sich daher weder die Kandidaten für die Wahlkreise, noch Bürgermeisterkandidat Jan-Philipp Büchler etwas. „Alle haben wirklich einen guten, engagierten Wahlkampf gemacht, was auch andere gelobt haben. Aber gegen den Trend sind wir nicht angekommen. Den Rest werden wir jetzt sehr genau analysieren“, schließt Brautmeier.

Hart getroffen hat das Ergebnis aber wohl besonders Jan-Philipp Büchler, der fest mit einer Stichwahl gegen Reiner Breuer gerechnet hatte: „Die Erwartungen sind auf der ganzen Linie enttäuscht, bei mir und bei der CDU. Wir haben als starkes, engagiertes Team begonnen und sind ein noch stärkeres Team geworden.“ Und das werde man auch bleiben, richtet er den Blick nach vorne.

Ein kleiner Trost bei dem „bitteren Ergebnis“ sei aber auf jeden Fall das Direktmandat für Norf, das sich Büchler sichern konnte. „Ich freue mich sehr, dass ich in Norf das Direktmandat geholt habe und über das Vertrauen meiner Mitbürger. Ich werde Norf eine starke Stimme im Stadtrat verleihen“, gibt er sich kämpferisch.

Auch der noch amtierende Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hätte sich wohl einen anderen Ausgang des Wahlabends erhofft. Mit 49,7 Prozent blieb der CDUler denkbar knapp unter der nötigen 50-Prozent-Marke. Er wird nun am 27. September gegen Andreas Behncke, Landratskandidat der SPD, der 25,1 Prozent der Stimmen erreichte, in der Stichwahl antreten.

Auf der Wahlparty im kleinsten Kreis der Neusser Grünen war die Stimmung „soweit zufrieden“, wie Michael Klinkicht, Fraktionsvorsitzender und Bürgermeisterkandidat, zusammenfasste. Denn die Grünen konnten 7.961 Stimmen verbuchen und vereinten so 14 Prozent der Wähler hinter sich – ein Plus von 3,2 Prozentpunkten. Damit haben die Grünen jetzt acht Sitze im Stadtrat. Bei der Bürgermeisterwahl konnte Klinkicht sich 7,1 Prozent der Stimmen sichern (4.049 Stimmen). „Ein Sitz mehr und drei Prozent – damit können wir wirklich zufrieden sein. Dem Bürgermeister kann man zu seinem Ergebnis nur gratulieren. Respekt!“, so Klinkicht am Wahlabend. Susanne Benary, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, hatte dennoch ein wenig Bauchschmerzen: „Dass die Linken und die FDP hinter der AfD liegen, finde ich bitter...“ Dennoch ist auch sie mit acht Sitzen im Rat zufrieden.

Wenn am 21. September der Wahlausschuss tagt, werden die Ergebnisse, die bisher nur „vorläufig“ sind, amtliche Endergebnisse – der Erfahrung nach ändere sich hier allerdings so gut wie nichts mehr. „Wir reden hier von einer bis drei Stimmen, verteilt über alle vier Wahlvorgänge, die möglicherweise bei der Überprüfung der Ergebnisse abweichen. An den Prozentzahlen ändert das kaum etwas“, so Charlotte Hohn, Leiterin der Abteilung Statistik und Stadtforschung, bei der Vorstellung der Wahlanalyse.

Seit Sonntag, 16 Uhr, war sie die ganze Nacht im Einsatz – bis Montagmorgen, 8 Uhr –, um die Analyse fertigzustellen. „Die Struktur der Wahlbezirke hat sich stark verändert, sodass wir zum Wahlverhalten in den Bezirken eigentlich kaum noch Vergleiche zu den früheren Wahlen ziehen können“, erklärt Hohn. Daher gibt es in der Kurzanalyse, die inzwischen unter www.neuss.de/wirtschaft/statistiken/downloads/kw20.pdf im Internet zu finden ist, beispielsweise keine Gewinn- und Verlustrechnungen bezogen auf die einzelnen Wahlbezirke.

Ein sicher spektakuläres Ergebnis sei die Wiederwahl des Bürgermeisters im ersten Wahldurchgang gewesen (52,9 Prozent) – immerhin hatte er mit Jan-Philipp Büchler (CDU, 32,8 Prozent), Michael Klinkicht (Grüne, 7,1 Prozent), Michael Fielenbach (FDP, 2,1 Prozent), Roland Sperling (Linke, 2,3 Prozent), Thomas Lang (UWG/Freie Wähler, 2,0 Prozent) und Carlo Dietz (Zentrum, 0,8 Prozent) sechs Kontrahenten.

„Ansonsten gab es aus unserer Sicht keine großen Überraschungen. In Wahlbezirken, in denen die CDU stark ist, ist die SPD eher schwach und andersherum – diese Balance sei auch bei früheren Wahlen immer wieder zu beobachten gewesen. Und dass die SPD in Neuss im Gegensatz zur Kreistagswahl (28,4 Prozent, 2014 waren es 26,2 Prozent) so stark zulegen konnte, sei auffällig.

Die CDU sei auf Kreisebene leicht besser, als auf Kommunalebene, und sicherte sich 38,6 Prozent der Stimmen (2014: 40,2 Prozent). Sowohl die Grünen als auch die FDP hätten bei der Kommunalwahl (Grüne: 14 Prozent, FDP: 3,3 Prozent) deutlich schlechter abgeschnitten, als auf Kreisebene (Grüne: 16,9 Prozent, FDP: 4,1 Prozent).

Eine weitere Besonderheit sei laut Hohn „der hohe Anteil an Briefwählern, nämlich 47,3 Prozent. Das ist natürlich unter anderem auf die Corona-Krise zurückzuführen.“ Bei der Kommunalwahl 2014 hatten nur 27,5 Prozent der Wähler das Angebot der Briefwahl genutzt. Im Normalfall würden tendenziell eher CDU-Wähler die Briefwahl nutzen, doch in diesem Jahr habe es etwas anders ausgesehen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 47,9 Prozent – das heißt, dass 52,1 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung von ihrem Recht zur demokratischen Mitbestimmung nicht Gebrauch machten. Dennoch war die Wahlbeteiligung etwas höher als 2014 (45,5 Prozent).

Die Stimmen für die Wahl des Integrationsrates sind noch nicht ausgezählt und werden nachgereicht.

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