1. Neuss

Zentrumspartei will frustrierte Wähler mobilisieren: „Wir sind die bessere CDU“

Zentrumspartei will frustrierte Wähler mobilisieren: „Wir sind die bessere CDU“

Mit Dr. med Klaus Brall hat die Zentrumspartei zweifellos einen Bürgermeisterkandidaten aufgestellt, der polarisiert. Selbstbewusst und zielstrebig geht der Allgemeinmediziner in den Wahlkampf, überrascht mit unkonventionellen Lösungsvorschlägen, zum Beispiel die Flüchtlinge in den Wohnungen der Bürger unterkommen zu lassen.

Was seine Ziele sind und wie er sich seine Chancen ausrechnet, lesen Sie im Interview.

Herr Dr. Brall, Ihre Bürgermeisterkandidatur ist nicht besonders aussichtsreich. Warum stellen Sie sich dennoch zur Wahl?

Dr. Brall:

Ich will als eines meiner Hauptziele die Infrastruktur erhalten und noch weiter ausbauen. 40 Prozent jener, die Sozialhilfe beantragen sind Ausländer. 30 Prozent der Gefängnisinsassen sind Ausländer. Wir sind Realisten und wollen etwas an den Missständen ändern.

Stadt-Kurier:

Mit Ihren Aussagen wird man Sie sicher in die rechte Schiene einordnen. Papst Franziskus hatte traditionell am Gründonnerstag Gefängnisinsassen in Rom die Füße waschen wollen. Da kaum noch katholische Häftlinge in Italiens Hauptstadt einsitzen, wusch der Papst vielen Muslimen die Füße. Sie sehen Ausländer und Muslime kritisch?

Dr. Brall:

Nein, ich möchte auf das Thema Infrastruktur zurückkommen. Denn genau hier könnten wir unsere Asylbewerber einsetzen. Ein Beispiel: Die Baustelle ab Kreuz Neuss West bis nach Kaarst raubt den Autofahrern doch schon ewig den Nerv. Ich sehe oft nur einen einzigen Mann dort arbeiten, wenn es hochkommt, fünf. Warum lassen wir nicht die Asylbewerber helfen? Bezahlt und versorgt werden Sie ohnehin schon. Und eine sinnvolle Beschäftigung hätten sie auch noch. Alle profitieren.

Stadt-Kurier:

Sie sind also nicht mit den aktuellen Plänen in Neuss einverstanden? Was halten Sie von den 27 vorgeschlagenen Standorten für die Baracken und Unterkünfte?

Dr. Brall:

Davon halte ich gar nichts. Es werden Millionen Euro in Asylbewerberheime investiert. Dabei ist eine Lösung doch so naheliegend: Wir haben eine so große Willkommenskultur in Deutschland, warum werden die Flüchtlinge nicht von gastfreundlichen Menschen in ihren Wohnungen aufgenommen?

Stadt-Kurier:

Ist da Sarkasmus zu hören? Glauben Sie wirklich, dass sich genug Menschen bereit erklären, Asylbewerber bei sich aufzunehmen?

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Dr. Brall:

Davon bin ich sogar ganz fest überzeugt. Allein bei den Grünen mit ihren rund 60.000 Mitgliedern sollte sich genügend Platz finden. Das lässt sich wunderbar schaffen, wenn man Worten auch Taten folgen lässt. Aber mal im Ernst: Die sozialen Spannungen wachsen, die Hilfsorganisationen erreichen das Ende ihrer Leistungsfähigkeit und die Kosten explodieren. Da erwarten die Menschen mehr als nur ein „weiter so!“

Stadt-Kurier:

Es ist die Enttäuschung über andere große Parteien wie CDU oder Grünen herauszuhören. Sind es frustrierte CDU-Wähler, die Sie ansprechen wollen?

Dr. Brall:

Wir wollen die 90 Prozent der Bürger ansprechen, die mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden sind.

Stadt-Kurier:

Sie sagen also, die Willkommenskultur ist gar nicht gegeben?

Dr. Brall:

Wir wollen mehr. Wir wollen nicht, dass Flüchtlinge bei uns vergammeln. Sie sollen eine Beschäftigung haben. Ich als Allgemeinmediziner weiß genau, wie krank Arbeitslosigkeit machen kann. Deswegen biete ich im Übrigen auch kostenlose Behandlungen für die Asylbewerber an. Zudem habe ich Wohnraum für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Schon meine Eltern haben damals Flüchtlingsfamilien Unterstützung geboten.

Woitzik:

Das entspricht auch den christlichen Grundwerten unserer Partei. Die Nächstenliebe steht an erster Stelle.

Stadt-Kurier:

Sie haben die Flüchtlingsproblematik ausführlich dargelegt. Welche weiteren Themen wollen Sie als Bürgermeisterkandidat anpacken?

Dr. Brall:

Im Haushalt klafft ein 20-Millionen-Loch, die Wirtschaftsförderung führt ein Schattendasein, für den Mittelstand wird praktisch nichts geleistet. Auch die Infrastruktur ist stark verbesserungsbedürftig. Neuss kann mehr.

Stadt-Kurier:

Herr Woitzik wie stehen Sie zur unseren aktuellen Kreispolitik?

Woitzik:

Es ist in der Tat so, dass nur eine ganz knappe Mehrheit zustande gekommen ist. Dirk Aßmuth von der AfD war dafür die ausschlaggebende Stimme. Dabei distanzierte sich der Bundesvorstand der CDU scheinheilig von dieser Partei. Aber wo sich eine Mehrheit herstellen lässt, wurden diese Vorsätze einfach über Bord geworfen. So ein Verhalten ist verwerflich und unklug.

Stadt-Kurier:

Die Zentrumspartei ist bundesweit stark vertreten. In Neuss kann sie aber nicht Fuß fassen. Den Einzug in den Stadtrat haben Sie verpasst. Was läuft hier für ihre Truppe schief?

Woitzik:

Wir brauchen mehr Personal. Was Reinhardt-Josef Wendt zudem getan hat, können wir ihm nicht verzeihen. Er hat uns verraten, indem er den Stadtrat vor der Kommunalwahl verlassen und sein Mandat gleich mitgenommen hat. Damit hat er der Partei enorm geschadet. Er hat uns verraten!

Stadt-Kurier:

Sie vertreten die älteste Partei Deutschlands. 1870 wurde die Zentrumspartei gegründet, steht für christliche Werte, Solidarität und Nächstenliebe. Sind Sie die bessere CDU?

Woitzik:

Wir sind die Väter der CDU. (lacht) Aber im Ernst: Unsere christlich geprägten Einstellungen sind unverändert. Es ist vergleichbar mit den zehn Geboten. Diese blieben bis heute unangetastet und niemand spricht sich dafür aus, diese dem Zeitgeist anpassen zu wollen. Eben weil es Werte sind, nach denen sich vielleicht auch junge Menschen sehnen. Es sind Dinge wie Ehe und Familie, die geschützt werden sollten.

Stadt-Kurier:

Auch die Ehe zwischen zwei Männern?

Woitzik:

Auf keinen Fall, die ist widernatürlich.

Stadt-Kurier:

Ich habe Ihr Programm für die Kommunalwahl 2014 studiert. Darin forderten Sie die Entschlammung des Nordkanals, die Rettung des Jröne Meerke: Dinge, die inzwischen auf den Weg gebracht wurden. Aber auch der Erhalt sämtlicher Sportplätze steht auf Ihrer Liste. Wie wollen Sie das finanzieren?

Dr. Brall:

Wir müssen endlich auch mal an die Ausgabenseite ran. Zuviel öffentliche Gelder werden vergeudet. Allein das kann vier Millionen Euro einsparen. Geld, das an anderer Stelle viel sinnvoller eingesetzt werden kann.

Stadt-Kurier:

Sie werben besonders um Jugendliche, sind aber auf Facebook kaum präsent. Die Zentrumspartei Neuss ist überhaupt nicht vertreten. Wie wollen Sie die Jugend denn zur Wahlurne bewegen?

Dr. Brall:

Ein Facebookauftritt ist nach meiner Meinung überbewertet. Das wird uns nicht mehr Stimmen bringen. Wir wollen die jungen Menschen stattdessen mehr einbeziehen und haben daher die Idee eines Stadtjugendrates entwickelt. Jugendliche können etwas bewegen, entscheiden selbst.

Stadt-Kurier:

Kann das funktionieren? Immerhin ist die Wahlbeteiligung gerade bei jungen Menschen erschreckend niedrig.

Dr. Brall:

Es kann und es wird sehr gut funktionieren, das zeigen ähnliche Beispiele in Dormagen. Wir müssen auch mehr für die Jugend tun. Wir dürfen nicht unsere Jugendliche ablehnen. Wenn junge Menschen den Eindruck haben, dass sie mit ihrer Stimme wirklich etwas bewegen können, wird auch die Wahlbeteiligung wieder ansteigen.

Stadt-Kurier:

Eine letzte Frage: Wenn es bei der Bürgermeisterwahl zur Stichwahl kommen sollte, in die es vermutlich Nickel und Breuer schaffen werden, welchen Kandidaten werden Sie unterstützen?

Dr. Brall:

Ich gehe davon aus, dass ich die Wahl im ersten Durchgang für mich entscheiden werde.

(Kurier-Verlag)