Premiere des ökumenischen Kreuzwegs: „Wir glauben daran, dass das Gute siegt, dass die Liebe siegt, die Jesus uns gezeigt hat!“

Neuss · Oberpfarrer Andreas Süß hatte die Idee, die Menschen in Neuss zu einem ganz besonderen Kreuzweg einzuladen: Seine Kollegen – der evangelische Pfarrer Sebastian Appelfeller, der orthodoxe Pfarrer Octavian Popescu und der jüdische Rabbiner Aaron Malinsky – waren sofort begeistert. Und so machten sich am Kar-Mittwoch rund 150 Menschen auf den Weg von der Obertor-Kapelle zum Quirnusmünster, wo der ökumenische Kreuzweg in der Krypta seinen Abschluss fand.

  Das ökumenische Kreuz der Michaelsvesper und die Fahne der orthodoxen Gemeinde wurden voran getragen.

Das ökumenische Kreuz der Michaelsvesper und die Fahne der orthodoxen Gemeinde wurden voran getragen.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

An fünf Stationen machte der Zug halt: am Obertor, gegenüber der Rottelsgasse, an der jüdischen Gedenkstätte gegenüber der Stelle, wo einst die Synagoge stand, im Rathaus-Innenhof und am Münsterplatz und im Quirinusmünster. Die Geistlichen hielten hier jeweils eine Ansprache. Stadtführer Rolf Lüpertz versorgte die Kreuzgänger mit geschichtlichem Wissen. Er wusste so einiges zu erzählen. Zum Beispiel vom Wunder der Obertorkapelle. Als Karl der Kühne Neuss belagerte, starteten die Neusser eine Bittprozession zu der damaligen Kapelle. Hier bat der Bürgermeister mit einem Gebet um Hilfe. Und es scheint geholfen zu haben: Just am selben Tag schickten Kölner Truppen Kanonenkugeln nach Neuss – mit der Nachricht, dass Hilfe unterwegs sei. Lüpertz erzählte noch so manches von Klöstern und Heiligen, sodass selbst „echte Nüsser“ einiges Neues erfahren konnten.

 Am Gedenkstein für die zerstöte Synagoge (v.l.): die Pfarrer Andreas Süß, Sebastian Appelfeller und Octavian Popescu sowie Rabbiner Aaron Malinsky.

Am Gedenkstein für die zerstöte Synagoge (v.l.): die Pfarrer Andreas Süß, Sebastian Appelfeller und Octavian Popescu sowie Rabbiner Aaron Malinsky.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Und die Geistlichen brachten die Menschen mit ihren Ansprachen zum Nachdenken. So wie Rabbi Aaron Malinsky: „Unsere jüdischen Schwestern und Brüder waren hier nicht immer willkommen, jetzt ist es ganz anders in dieser schönen Stadt – wir sind alle Schwestern und Brüder“, sagte er beim Halt am Gedenkstein für die zerstörte Synagoge.

Rolf Lüpertz gab ein paar Kostproben seines geschichtlichen Wissens zum Besten.

Rolf Lüpertz gab ein paar Kostproben seines geschichtlichen Wissens zum Besten.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

„Bleibet hier und wachet mit mir, wachet und betet“ sangen die Menschen immer wieder auf dem Weg zur nächsten Station. Pfarrer Appelfeller erinnerte auf dem Münsterplatz an vergangene ökumenische Aktionen: „Vereint standen wir hier schon oft.“ Als hier Kerzen für die Verstorbenen der Corona-Pandemie aufgestellt wurden oder nach den Anschlägen auf Israel im Oktober. „Das hat uns allen den Atem zum Schreien geraubt.“ Aber er sprach auch vom Vertrauen, „dass auch in unserer Partnerstadt Herzliya Frieden eine Zukunft hat“. Pfarrer Popescu machte deutlich: „Es gibt keine Niederlagen im Leben, sondern neue Türen, die neue Perspektiven aufzeigen.“

Auch Pfarrer Süß sprach versöhnliche Worte: „Dass christliche, jüdische und orthodoxe Menschen gemeinsam unterwegs sind, macht Hoffnung!“ Und weiter: „Wir glauben daran, dass das Gute siegt, dass die Liebe siegt, die Jesus uns gezeigt hat.“ Es gehe darum, eine friedliche Welt zu gestalten. Und so freute es ihn, dass zahlreiche Bürger aus der Zivilgesellschaft am Kreuzweg teilgenommen hatten und auch Vertreter von Politik und Verwaltung „den Weg mitgegangen sind“.

Die Menschen gingen mit einem Gefühl der Harmonie und des Friedens auseinander – mit der Hoffnung, dass 2025 wieder ein ökumenischer Kreuzweg stattfinden wird ... Rolf Retzlaff

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