Pfarrer Manfred Burdinski geht in Ruhestand – und er mahnt: „Glaube muss wieder richtig Spaß machen!“

Nordstadt · Manfred Burdinski wird sich daran gewöhnen müssen, sonntags ausschlafen zu dürfen und dann Freizeit zu genießen. Dies war ihm viele Jahre verwehrt – aber er hat es nie bereut. Am Sonntag, 2. Juni, geht der Pfarrer der Reformationskirchengemeinde in den wohl verdienten Ruhestand. Doch wer mit ihm über die evangelische Kirche diskutiert, merkt schnell, dass der 65-Jährige immer noch kein Blatt vor den Mund nimmt. „Der Glaube muss einfach Spaß machen und die Kirche muss demokratischer aufgestellt werden!“ Zwei Forderungen, denen er bereits seit Jahren Nachdruck verleiht.

Pfarrer Manfred Burdinski wird am 2. Juni in den Ruhestand verabschiedet.

Pfarrer Manfred Burdinski wird am 2. Juni in den Ruhestand verabschiedet.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

1989 absolvierte Burdinski seine Ausbildung als Vikar, von 1993 bis 1999 war er in Kaarst als Pfarrer im Sonderdienst mit besonderen Aufgaben tätig. „Mein Steckenpferd war schon immer die Kinder- und Jugendarbeit“, so der Pfarrer, der in Kaarst übrigens die Jugendarbeit als Nachfolger von Ingrid Dreyer, der jetzigen Leiterin der Jugendarbeit in der Reformationskirche, übernommen hatte. Im Mai 1999 wechselte er in die Neusser Nordstadt und engagierte sich auch hier besonders in der Jugendarbeit. So sorgte er dafür, dass das Jugendzentrum der Reformationskirche mit städtischen Mitteln gefördert wird. Auch führte er die Kinderkirche ein, „um biblische Inhalte und Glaubensinhalte den Kindern kindgerecht nahe zu bringen“, erklärt Burdinski. Gemeinsam mit Ingrid Dreyer hat er Projekte wie Kinderkirchen-Übernachtungen auf die Beine gestellt. Zudem war er 14 Jahre lang auf Landeskirchen-Ebene in Sachen Kinderkirche unterwegs. Und wird es dieses Angebot nach seinem Abschied weiter an der „Ref“ geben? „Die Ehrenamtler arbeiten sich zurzeit theologisch ein und sind sehr engagiert“, so Burdinski. Jetzt komme es auch auf die Unterstützung durch die Gemeindeleitung an. Der von ihm geleitete Frauenkreis wird sich erst einmal selbst organisieren. Ab Mai tritt dann eine neue Leiterin der Seniorenarbeit in der Gemeinde ihren Dienst an.

Manfred Burdinski will sich nach seiner Verabschiedung ein Jahr Pause von der Gemeinde nehmen und hier auch keine Gottesdienste besuchen. Der Grund: „Ich möchte meinem Nachfolger die Möglichkeit geben, sich selbst etwas aufzubauen und der Gemeinde den Abschied erleichtern.“ Er wird aber weiter in der Nordstadt wohnen. Natürlich gab es bereits mehrere Anfragen, ob er sich nicht ehrenamtlich betätigen wolle, aber vorerst ist nur eine Entscheidung gefallen: Seinen Posten in der Jury für den Hermann-Josef-Dusend-Preis, der in diesem Jahr erstmals an verdiente Nordstädter verliehen wurde, wird er behalten.

Seit knapp 35 Jahren ist Burdinski im Dienst der evangelischen Kirche. Was hat sich in dieser Zeit verändert? „Es gibt viel mehr Bürokratie, das ist oft Zeitverschwendung.“ Und die digitalen Medien hätten Einzug in die Seelsorge gehalten. So werden zum Beispiel viele Taufgespräche per „Zoom“ geführt. Zudem habe sich die Struktur bei Beerdigungen geändert. Der Pfarrer werde manchmal nicht als Begleitung, sondern als Dienstleister angesehen. Burdinski legt Wert auf persönliche Gespräche – und hält nicht viel davon, mit von Angehörigen eingesandten Lebensläufen zu arbeiten. Nach Abwicklung der Formalitäten geht der Pfarrer bei den Gesprächen in den seelsorgerlichen Bereich. „Das eigentliche Trauergespräch kann länger dauern, wenn sich die Menschen öffnen.“

Überhaupt wehrt sich Burdinski dagegen, als Dienstleister statt Seelsorger angesehen zu werden. Oft sei der Pfarrer noch eine Vertrauensperson – vor allem, wenn von den Großeltern bis zum Enkelkind die ganze Familie zu ihm Kontakt hatte. So sei er auch schon mal erster Ansprechpartner zum Beispiel bei finanziellen oder anderen privaten Nöten („Hier kann ich kleine Hilfen geben oder an entsprechende Stellen verweisen“).

Doch jetzt gilt es langsam Abschied zu nehmen vom Pfarrer-Dasein. „In diesem Jahr werde ich zum ersten Mal beim Weihnachtsfest nicht vorne in der Kirche stehen“, macht er deutlich, dass er bereits als Kind Gottesdienste mitgestaltet, beim CVJM ehrenamtlich die Jugendleiter- und Mitarbeiter-Ausbildung absolviert hatte. Dann schließlich die sein Leben bestimmende Entscheidung: „Vor Beginn des Theologie-Studiums hatte ich mir gedacht: Entweder ich trete aus der Kirche aus oder ich ändere von innen heraus etwas.“ Gesagt, getan: Burdinski hat in der „Ref“ seit Anfang 2000 die Gottesdienst-Strukturen verändert, seit den 2010er Jahren werden andere Liturgien gefeiert. So gibt es vier Formen des Gottesdienstes: den Familien-Gottesdienst, den traditionellen Gottesdienst, den musikalischen Gottesdienst mit modernen und traditionellen Liedern sowie den experimentellen Gottesdienst, den der Pfarrer nach seinem eigenen Ermessen gestalten kann. Da lässt Burdinski auch schon mal die Predigt weg und sucht das Gespräch mit den Gemeindemitgliedern. „Wir müssen die Gottesdienst-Strukturen offener gestalten und mehr Freiheiten lassen, auf die Menschen zuzugehen“, so Burdinski. In den Kirchen finde zu wenig Spaß und Lebensfreude statt. Die Kirche habe hier einiges dazugelernt – aber immer noch zu wenig. Und er sagt: „Der Glaube muss Spaß machen!“ Zum Beispiel beim Abendmahl: „Der Pfarrer spricht die Einladung aus und die Gemeindemitglieder kommen mit traurigen Mienen nach vorne. Dabei sollte man doch Freude zeigen, dass man zum Abendmahl eingeladen wurde.“

Ein weiterer Kritikpunkt: „Die Kirche muss demokratischer gestaltet werden – bei Sprache, Institution und Gebärden!“ Sie sei zu hierarchisch organisiert. Strenge Hierarchien seien in unserer Gesellschaft oftmals fehl am Platz. Das fängt im Kleinen an: Statt „Herr“ könne man „Gott“ sagen, statt „Herr Jesus“ lieber „Jesus Christus“. Burdinski: „Die Unterwürfigkeit, vor dem Herrscher niederzuknien, steckt hinter vielen Riten und war früher ganz normal. Mittlerweile sollte man dies neu deuten und unter demokratischen Gesichtspunkten betrachten.“

Manfred Burdinski setzt seine Hoffnungen auch auf eine für jedermann offene Kirche: „Ich habe nie gefragt, ob jemand katholisch, evangelisch oder muslimisch ist. Für mich war die interkulturelle und interreligiöse Arbeit immer sehr wichtig.“ Da freut es ihn besonders, dass jetzt auch in der Grundschule „Brücke“ gemeinsam mit einer muslimischen Lehrkraft ein interreligiöser Abschluss-Gottesdienst angeboten werden konnte.

„Ökumene ist für mich ein großes Thema“, erzählt der Pfarrer, „wir sollten die Gemeinsamkeiten betonen und nicht die Unterschiede!“ Mit dem katholischen Pfarrer an St. Josef Hans-Günther Korr (auch Kreisdechant) habe er hier einen „großen Mitstreiter. Die Botschaft Jesu ist immer im Mittelpunkt.“ Dies müsse den Menschen verständlicher vermittelt werden – und da stünden auch Riten, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hätten, oftmals dem Glauben im Weg.

Die Verabschiedung von Pfarrer Manfred Burdinksi beginnt am 2. Juni um 10.30 Uhr in der Reformationskirche am Berliner Platz mit einem Gottesdienst, gestaltet von Superintendent Dietrich Denker. Anschließend wird zu einer Verabschiedungsfeier eingeladen. Und dann besteht bestimmt Gelegenheit, mit dem „Mann der klaren Worte“ auch mal ins Gespräch über „Gott und die Welt“ zu kommen.