Vetternwirtschaft im CDU-geführten Neusser Rathaus Darf es ein bisschen mehr sein?

Neuss · Macht sich die Neusser CDU unsere Stadt zur Beute? +++ Napps Sohn bei den Stadtwerken +++ Firma von Napps Tochter bekommt städtische Aufträge +++ Kanzlei von Napps Ehefrau kassiert allein 2013 über 180.000 Euro aus der Stadtkasse +++ Wird Schützen-Chef Thomas Nickel ein besserer Bürgermeister?

Macht sich die Neusser CDU unsere Stadt zur Beute? +++ Napps Sohn bei den Stadtwerken +++ Firma von Napps Tochter bekommt städtische Aufträge +++ Kanzlei von Napps Ehefrau kassiert allein 2013 über 180.000 Euro aus der Stadtkasse +++ Wird Schützen-Chef Thomas Nickel ein besserer Bürgermeister?

Nach über 60 Jahren Regierung hat die CDU Neuss die Stadt am Rhein offenbar zu einer Art Selbstbedienungsladen degradiert. Fernsehen, Radio und überregionale Zeitungen berichten von unglaublichen Vorgängen im Rathaus. Nicht die CDU selbst, sondern FDP und SPD haben den Skandal rund um die "Nappokalypse" aufgedeckt und Untersuchungen eingeleitet. Der einzige CDU-Politiker, der den Bürgermeister und die Parteiführung auf dem Wahlparteitag massiv angegriffen und ihnen ins Gewissen geredet hat, Sebastian Rosen, konnte sensationell über 30 Prozent der Stimmen von den 500 CDU-Mitgliedern erhalten, die am Montag mehrheitlich Thomas Nickel (67) zum Bürgermeister-Kandidaten der CDU gekürt haben. Dies ist mehr als beachtlich und ein Warnschuss der von der Vetternwirtschaft entsetzten Mitglieder.

"Mein Sohn hat sich ganz normal beworben. Es gab auch eine Ausschreibung", sagte Bürgermeister Napp, faktisch Chef der Neusser Stadtwerke, vor Journalisten.

Von dem Firmenwechsel seiner Tochter von PricewaterhouseCoopers, die Geld vom CDU-geführten Rathaus erhält, zu Ernst & Young, die ebenfalls Aufträge der Stadt bekommt, habe Herbert Napp "nichts gewusst", sagte er dem Kölner Express. Dabei haben Vater und Tochter einen guten Kontakt und neulich gemeinsam mit Pastor Koenig die Taufe von Napps Enkelchen gefeiert.

"Fehler" räumt Bürgermeister Herbert Napp bei der Vergabe eines Auftrags in Höhe von 180.000 Euro an seine Ehefrau Christiane Hoerdemann-Napp ein, die Partnerin der Anwaltskanzlei Taylor Wessing in Düsseldorf ist. Am 9. Februar 2014 machten der ehemalige Regierungspräsident Dr. Achim Rohde (FDP) und der damalige Fraktionschef der FDP, Dr. Heinrich Koeppen, erstmals im Stadt-Kurier Andeutungen über die Verbindungen der Amigos, der Napp-Familie und Geldzahlungen. In dem Interview auf der Titelseite forderte Dr. Rohde den damaligen Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses, Sebastian Rosen, auf, die Angelegenheit zu prüfen. Der Prüfbericht liegt jetzt vor, das Medienecho ist verheerend. Napp und seine Frau schafften es einen Tag lang bei WDR 2 und EinsLive als Top-Thema in fast alle Hauptnachrichten. News 89,4 spielte nach einem Interview zum Thema das Lied "Final Countdown", Fernsehsender berichten täglich.

Korruptions-Bekämpfer Sebastian Rosen fordert von der CDU nun eine "anständige Arbeit und Politik", griff den Bauverein, der ebenso im Verdacht steht, nicht alles korrekt zu machen, Herbert Napp, Thomas Nickel und Parteichef Geerlings frontal an — und erhielt für seinen Mut zur Selbstreinigung und Attacke von einem Drittel der CDU-Mitglieder die Stimme. Zwei Drittel aber wählten Thomas Nickel (67) zum Bürgermeister-Kandidaten, der wahrscheinlich im Herbst 2015 gegen den SPD-Kandidaten Reiner Breuer (45) einen Wettstreit um die Nachfolge Napps führen wird, falls dieser nicht schon vorher aus dem Amt weicht. CDU-Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann geht inzwischen (anders als Nickel) deutlich auf Distanz zu Bürgermeister Napp. "Ich und die meisten in der Fraktion hätten allein wegen der Außenwirkung nicht die Kanzlei von Bürgermeister Napps Ehefrau beauftragt, sondern eine der anderen guten Kanzleien gewählt", so die tapfere Fraktionsvorsitzende, die aufgrund von gesundheitlichen Problemen am Tag der Aufstellung nicht die beste Rede halten konnte und gegen Nickel und Rosen vor deren Stichwahl ausschied. "Die Macho-Riege der CDU hat leider wieder gewonnen", fasst CDU-Ratsfrau Waltraud Beyen die Enttäuschung vieler Frauen in der Union zusammen. Bürgermeister Napp wies in einer Krisen-Pressekonferenz vor Fernsehkameras darauf hin, dass seine Ehefrau bei Vergaben nicht benachteiligt werden solle. Sie und er seien übrigens steuerlich getrennt veranlagt, so dass Napp gar nichts davon habe, wenn seine Frau einen satten Auftrag erhalte. Ihm war die Nervosität anzumerken. Es sei alles "Mist". Dennoch: Napp hat auch vieles für Neuss bewegt. Die CDU neigt dazu, zu verzeihen. Bestimmt nicht die schlechteste Eigenschaft. So hoffen alle, dass der "Mist" bald aufhört zu stinken. Doch SPD-Fraktionschef Arno Jansen will weiter bohren. Er hat nun den Landrat als Aufsicht eingeschaltet. "Die Stadtverwaltung hatte immer ein Problem mit Korruption. Jetzt ist das Thema in der Chefetage des Rathauses angekommen. Das ist sicher nur die Spitze des Eisberges", so Jansen.

(Kurier-Verlag)
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