Rund 150 neue Flüchtlinge pro Woche: Neuss wird überflutet!

Neuss · Dies ist für die vielen wohnungssuchenden Neusser unerträglich und ein Schock: Jede zweite freiwerdende Wohnung des Bauvereins soll für Flüchtlinge reserviert werden. Dabei spielen sich im Wartebereich des de-facto-Monopolisten für Sozialwohnungen schon heute dramatische Szenen ab.

Deutsche Mütter flehen um Wohnraum, Kinder weinen. Zudem ist geplant, direkt am Neusser Bahnhof ein Riesen-Flüchtlingsheim zu errichten. Breuer will das Gelände dort für rund 3,5 Millionen Euro von Whitesell erwerben. Vorerst lehnte die CDU dies mit einer von ihr organisierten Mehrheit ab. Insider der Union sagen aber: Wir werden dieses Grundstück wohl kaufen müssen.

Stille im Stadtrat: Als Bürgermeister Reiner Breuer verkündet, wie viele Neuzuweisungen an Flüchtlingen die Stadt Neuss zu erwarten hat, versteinern sich die Mienen. "Die Lage wird ernster", erklärt Breuer. Gleichzeitig macht der 46-Jährige deutlich, dass die Hilfe notwendig ist. "Wir versuchen alles, um das hinzubekommen", verspricht der Stadtchef.

Etwa 100 bis 150 Neuzuweisungen pro Woche erwartet die Stadt Neuss ab sofort — das heißt, dass dringend Platz geschaffen werden muss. "Wir versuchen Nutzungskonflikte wenn möglich zu vermeiden", so Breuer, der damit deutlich macht, dass Sportvereine und Schüler nicht auf ihre Trainingseinheiten verzichten sollen. Das dürfte ein schwer zu erreichendes Ziel bleiben. Im Konzept werden die Turnhalle Allerheiligen und die Mehrzweckhalle Holzheim (beide ab Dezember) sowie die Eissporthalle (ab März) aufgelistet. Stadträtin Angelika Quiring-Perl ist sauer, dass Reuschenberg mittlerweile zum Zentrum der Flüchtlingshilfe geworden ist. Tausende Asylbewerber werden hier erwartet.

"Wir bitten um Mithilfe aus der Bevölkerung, sodass wir schnellstmöglich neue Plätze schaffen können. Sei es durch private Angebote oder durch gewerbliche Immobilien: Wir prüfen in alle Richtungen", betont der Bürgermeister.

Während bei Erstellung des "Handlungskonzeptes Flüchtlinge" im Mai 2015 noch mit 50 Zuweisungen/Monat zu rechnen war, werde durch die extreme Dynamik seit Juli 2015 nach aktuellem Kenntnisstand mit weit mehr als 500 Zuweisungen pro Monat gerechnet.

Bis auf weiteres wird die Hälfte der freiwerdenden Wohnungen des städtischen Bauvereins mit Flüchtlingen belegt. Das Potenzial wird mit Wohnraum für 100 Menschen im Monat veranschlagt, während sich Wohnungssuchende wundern, wo diese Wohnungen plötzlich herkommen. Ende Januar sollen dann fünf große Traglufthallen stehen, die 200 Menschen aufnehmen können. Als mögliche Standorte werden Kirmesplätze sowie Parkplätze von Bezirkssportanlagen und der Eissporthalle genannt.

"Endlich ein richtiges Konzept", lobt SPD-Ratsherr Hakan Temel die Arbeit der Verwaltung. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen. "Transparenz ist gerade bei diesem Thema besonders wichtig. Deswegen hat der Stadtrat beschlossen, dass in jedem Stadtteil eine Infoveranstaltung durchgeführt werden sollte, um die Bürger auf den aktuellen Sachstand zu bringen. Leider wurden diese Veranstaltungen irgendwann nicht mehr abgehalten", so CDU-Ratsherr Thomas Kaumanns. Das solle sich in naher Zukunft wieder ändern, beschwichtigt Dezernent Hahn. Er habe einfach nicht immer Zeit gefunden, die Infoveranstaltungen anzusetzen.

Riesen-Flüchtlingsheim am Neusser Bahnhof, Aufstocken des Alex-Flüchtlingsheim auf 1600 Personen, Mammut-Flüchtlingsheim mit über 1000 Personen auf der Rennbahn, 30 dezentrale Flüchtlingsheime in der Stadt verteilt, belegte Turnhallen, Container und Traglufthallen. Heute feiern wir Sankt Martin. Neuss teilt und hilft.

(Kurier-Verlag)
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