Amtsarzt Dr. Michael Dörr und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke klären auf Flyer mit angeblichen Corona-Fakten in Briefkästen gelandet

Kaarst/Neuss · In vielen Teilen Deutschlands sind sie schon unterwegs und auch in Kaarst und anderen Kommunen des Rhein-Kreises Neuss sind Flyer mit angeblichen Fakten zum Coronavirus in den Briefkästen gelandet – pünktlich zum Impfstart. Der eine oder andere lässt sich durch diese Aussagen sicher verunsichern. Daher haben wir unter anderem bei Amtsarzt Dr. Michael Dörr und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke nachgefragt, um aufzuklären.

 Diese Flyer sind im Umlauf und warten mit vermeintlichen Fakten zur Pandemie auf.

Diese Flyer sind im Umlauf und warten mit vermeintlichen Fakten zur Pandemie auf.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Daniela Furth

Von einer „Fake Pandemie“ und den „Tücken des PCR Tests“ ist auf den Flyern die Rede – vermeintliche Theorien, die teilweise mit einer Vielzahl an Quellenangaben anscheinend gestützt werden. So schreibt beispielsweise eine Büttgenerin auf Facebook: „Ich halte ihn (den Flyer, Anm. d. Red.) (...) für reinen Querdenker Quatsch! Leider hat meine Mutter (85) ihn auch bekommen, und möchte sich nun nicht mehr impfen lassen. (...) Ich halte diesen Flyer für absolut inakzeptabel! Weil er sehr gezielt mit den Ängsten der Menschen spielt, und das unter dem Pseudo-Deckmäntelchen der Fürsorge!“

Und auch andere Nutzer haben die Flugblätter erhalten und stimmen zu: „Unverantwortlicher Mist, der da verbreitet wird!“ oder „Die Fehldrucke dieser Quertreiber landen bei uns gleich in der Tonne.“ Tatsächlich erweckt der Flyer einen professionellen ersten Eindruck und sorgt sicher für Glaubwürdigkeit. Doch jeder, dem ein solcher Flyer in die Hände fällt, sollte die „Fakten“ hinterfragen.

„Die in vielen Haushalten verteilten Flyer enthalten zahlreiche irreführende Aussagen zu der Corona-Pandemie und verfolgen ausschließlich das Ziel, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu gefährden. Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger, den Aussagen des Robert-Koch-Institutes, der offiziellen Stellen des Bundes und Landes sowie dem Kreis-Gesundheitsamt und den Kommunen zu vertrauen“, mahnt Landrat Hans-Jürgen Petrauschke. Der Wahrheitsgehalt sollte stets anhand dieser Quellen überprüft werden.

 Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Hanna Loll

Die Verharmlosung der Pandemie, besonders im Hinblick auf die vielen Versorbenen, sieht der Landrat kritisch: „Im Rhein-Kreis Neuss sind bislang 135 Menschen an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus verstorben, hiervon alleine 105 seit dem 1. November. Dabei ist in jedem Einzelfall ärztlich bestätigt worden, dass die Erkrankung mit dem Coronavirus auch todesursächlich war. Jedes Todesopfer ist eines zu viel und unser Mitgefühl gilt den Betroffenen und Angehörigen.“ Nur dank der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus und der Disziplin vieler Mitmenschen sei es gelungen, wahrscheinlich zahlreiche weitere Todesopfer zu vermeiden. Das Verteilen von Flugblättern oder Flyern in Briefkästen ist nicht verboten, solange keine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begangen wird.

Im Bezug auf „die Tücken des PCR Tests“ haben Stadt-Kurier und Extra-Tipp einmal bei Amtsarzt Dr. Michael Dörr nachgefragt, der die gemachten Aussagen richtig stellt. Auf dem Flyer heißt es zum einen, jeder PCR-Test habe „eine falsch-positiv-Rate, das heißt, dass Gesunde, die definitv nicht mit dem Virus infiziert sind oder waren, von dem Test trotzdem als positiv gezählt werden.“ Diese Aussage kann Dr. Dörr jedoch entkräftigen: „PCR-Tests weisen mit rund 98 Prozent eine ausreichend hohe Genauigkeit auf. Die hier getroffenen Aussagen in Bezug auf die Genauigkeit sind falsch.“ Weiter wird behauptet, dass ein positiver Test nicht gleichzeitig bedeute, dass man auch infiziert sei. Doch „ein positiver Test weist in nahezu allen Fällen auf eine Infektionsgefährdung der Kontaktpersonen hin. Dies begründet auch eine 10-Tages-Quarantäne zum Schutz vor der Ansteckung weiterer Mitmenschen. Die hier getroffenen Aussagen sind falsch“, so Dr. Dörr.

Auch die These, dass seit der 20. Kalenderwoche „die Positivenquote der getesteten Personen in Deutschland zwischen 0,5-1,7 Prozent“ liege sei nicht richtig, wie der Amtsarzt erklärt: „Bei den Corona-Tests in den Testzentren in Neuss und Grevenbroich sowie durch die mobilen Testteams waren von 40.717 Tests insgesamt 9,7 Prozent positiv. Die Positivenrate liegt hier also deutlich höher. Die bundesweiten Zahlen hat das RKI unter folgendem Link veröffentlicht www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Testzahlen-gesamt.html. Auch diese liegen in der Regel deutlich über den hier genannten Zahlen. Die Aussagen sind somit falsch.“

 Amtsarzt Dr. Michael Dörr stellt die Aussagen des Flyers zu der PCR-Testung richtig.

Amtsarzt Dr. Michael Dörr stellt die Aussagen des Flyers zu der PCR-Testung richtig.

Foto: Rhein-Kreis Neuss

Die Verfasser des Flyers behaupten ebenfalls, dass wenn ein Mensch, der zurzeit des Kontaktes positiv, aber symptomfrei sei, die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung bei 0,3 Prozent liege. Doch das kann Dr. Dörr widerlegen: „Die Übertragungswahrscheinlichkeit wird durch den R-Wert beschrieben. Diese wird momentan bei symptomatischen und asymptomatischen Personen mit 0,91 veranschlagt, was bedeutet, dass zehn Infizierte neun Personen anstecken. Die Aussage ist somit falsch.“ Auch die Pauschalisierung, dass der PCR Test nur kleine Teile eines Coronavirus, „was aber nicht zwingend DAS Sars-CoV-2 sein muss“, entkräftet der Mediziner: „Hierbei handelt es sich um Einzelfälle.“

Zuletzt wird behauptet, dass mit jedem PCR Test „DNA-Proben entnommen“ werden, „ob der Getestete will oder nicht“, und genetische Proben dürften nur nach richterlichem Beschluss durchgeführt werden. Doch auch das ist faktisch falsch, so Dr. Dörr: „Eine PCR-Testung bedarf natürlich einer vorherigen Einwilligung der zu Testenden Person, da es sich um einen invasiven Eingriff handelt. Einen Zwang zur Testung gibt es nicht. Ein richterlicher Beschluss ist für eine solche Diagnostik generell nicht erforderlich.“ Also lassen Sie sich nicht verunsichern und beurteilen selbst den Wahrheitsgehalt.

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