Wie hoch der zeitliche Aufwand ist+++Wie sich die Politiker immer wieder motivieren Was viele Bürger nicht wissen: Auch die Arbeit unserer Ratspolitiker ist ehrenamtlich

Politiker haben's schwer: Egal, welche Entscheidungen sie treffen — irgendjemand ist immer dagegen! Die Damen und Herren in Rat und Ausschüssen müssen sich ein dickes Fell zulegen. Dass sie ihre Ämter ehrenamtlich ausüben, ist den meisten Bürgern nicht bekannt.

Die Ratssitzungen und Ausschüsse müssen gut vorbereitet werden. Das nimmt Zeit in Anspruch.

Sie erhalten zwar Aufwandsentschädigungen, geben dieses Geld aber zum Teil an die Parteien ab. Wir haben je zwei CDU- und SPD-Politiker aus Neuss und Kaarst gefragt:

Anneli Palmen (SPD).

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1. Politik als Ehrenamt: Wie hoch ist der zeitliche Aufwand? Welche Tätigkeiten nehmen die meiste Zeit in Anspruch?
2. Politiker müssen reichlich Kritik einstecken, Lob gibt es selten. Woher holen Sie die Motivation, in der Politik aktiv zu sein?
3. Welche Voraussetzungen muss ein Ratspolitiker mitbringen?

Lars Christoph.

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Lars Christoph (38) ist Rechtsanwalt in einer deutschlandweit tätigen Wirtschaftskanzlei in Köln. Seit 1999 sitzt er für die CDU im Kaarster Stadtrat, 2004 wechselte er in den Kreistag, 2009 und 2014 folgten erneut Kandidaturen für den Stadtrat. Seit 1998 ist er Mitglied des Planungsausschusses, seit 2009 Vorsitzender des Grundstücksausschusses und Aufsichtsratsmitglied bei den Stadtwerken. Seit Beginn der laufenden Wahlperiode bekleidet er den Posten des Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Daneben gab es langjährige und vielfältige Tätigkeiten bei der Jungen Union: Stadtverbandsvorsitzender Kaarst, Kreisvorsitzender Rhein-Kreis Neuss, stellvertretender Bezirksvorsitzender Niederrhein, Mitglied Deutschlandrat. Seit zehn Jahren ist er Vorsitzender des CDU Stadtverbandes Kaarst.

Gisela Hohlmann.

Frage 1: Der zeitliche Aufwand ist immer ein wenig davon abhängig, ob es sich um eine Woche mit vielen Sitzungen handelt. Dann kann es schon mal gut sein, dass Montagabend Fraktionssitzung, Mittwoch und Donnerstagabend dann Ausschuss- und Ratssitzungen sind. In solchen Wochen kommt man mit den notwendigen Vorbereitungen gut und gerne auf deutlich über 20 Stunden. Dafür ist es in anderen Wochen ruhiger und es fallen vor allem vorbereitende Gespräche mit der Verwaltung, interne Arbeitskreise und Gespräche mit Bürgern oder Vereinen an. Dann sind es aber immer noch zwischen zehn und 15 Stunden, die ich insgesamt aufwende. Viel Zeit nimmt die Vorbereitung von Entscheidungsfindungen ein: Gespräche mit den Betroffenen, interne Abstimmungen, auch Gespräche mit anderen Fraktionen.

Waltraud Beyen

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Frage 2: Die Tätigkeit im Stadtrat finde ich nach wie vor sehr spannend, weil man dabei unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung und die weitere Entwicklung unserer Heimatstadt nehmen kann: Was soll wo und in welcher Form gebaut werden? Wie wollen wir unsere Schulen und Sportanlagen weiterentwickeln? Wie gelingt es uns, attraktive Gewerbebetriebe an unseren Stadtort zu binden? Ich war schon immer eher der Typ, der etwas mitgestalten wollte als nur zuzusehen. Zudem kann man als Ratsmitglied häufig auch bei vermeintlich kleineren Dingen helfen. Da ging es zuletzt zum Beispiel um die Anschaffung eines Spielgerätes an einer Grundschule. Hier konnten wir unterstützen und vermitteln. Wenn man sieht, dass man den Betroffenen mit seiner Arbeit ganz konkret helfen kann, ist das sehr befriedigend. Und natürlich freut man sich dann auch, wenn die eigenen Bemühungen anerkannt werden. Das gibt dann auch wieder Motivation, häufig pauschale Kritik an "den Politikern" wegzustecken, wenn man etwa in Mithaftung für Dinge in Berlin genommen wird.

Frage 3: Da gibt es eigentlich kein festes Anforderungsprofil. Für die Arbeit in einer Fraktion finde ich es als ganz wichtig, dass hier möglichst breit die Gesellschaft abgebildet wird: Jüngere und Ältere, Frauen und Männer, Menschen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und auch thematischen Interessen. Das hilft, möglichst unmittelbar die Bedürfnisse aufzunehmen, die in der Stadt bestehen. Hinsichtlich der Persönlichkeit ist es sicher notwendig, dass man Geduld und Beharrungsvermögen hat oder dies entwickelt. Denn häufig muss man für ein Ziel mehrfach nachhaken, dran bleiben, die berühmten dicken Bretter bohren. Da darf man sich nicht zu schnell entmutigen lassen, wenn man mit einer Idee, die man für gut hält, nicht direkt durchdringen kann. Zudem: Zuhören können und kompromissbereit sein, ist sicher beides auch sehr wichtig. Häufig wird die beste Lösung erst in Gesprächen entwickelt und bindet verschiedene Ansichten zu einer belastbaren Position zusammen.

Anneli Palmen (59) ist seit 36 Jahren verheiratet und Mutter drei erwachsener Kinder. Nach dem Abitur am AEG Kaarst absolvierte sie die Ausbildung zur examinierten Krankenschwester. Als Quereinsteigerin arbeitet sie seit mehr als 20 Jahren als freie Wirtschaftsjournalistin. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Mitglied des Kaarster Stadtrates. Sie leitet im dritten Jahr den SPD-Ortsverein. Ende 2015 hat sie erneut den Fraktionsvorsitz übernommen — wie schon von 2004 bis 2009. Zwischen 2009 und 2014 war sie 2. Stellvertretende Bürgermeisterin. Aktuell bekleidet sie auch den Posten der Sozialausschuss-Vorsitzenden.

Frage 1: Das Ehrenamt war und ist erkennbar prägend für unser Familien- und Eheleben, auch wenn es streckenweise bis zu 20 Wochenstunden an Aufwand kostet. Während sich mein Mann 40 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Kaarst engagierte, war es mir als Kind der Nachkriegsgeneration ein Anliegen, mich politisch einzubringen.

Frage 2: Ich bin davon überzeugt, dass die Kommune die Herzkammer der Demokratie ist. Entscheidungen des Rates und der Ausschüsse sind für Bürgerinnen und Bürger erlebbar und wirken sich gegebenenfalls direkt auf ihr Leben aus. Auch wenn wir uns als Räte im Interesse des Gemeinwohls entscheiden müssen, können sich einzelne BürgerInnen oder Vereine und Verbände mit ihren Anliegen direkt an die Parteien und Fraktionen wenden und für ihre Sache werben. Auch wenn ich meist mit Optimismus und Elan an die Aufgaben herangehe, sind Schmähungen und abfällige Kritik mehr als ernüchternd. Es drängt sich dann die Frage auf, warum mache ich weiter? Ich komme aber immer wieder zu dem Schluss, dass die Demokratie nur dann in Gefahr gerät, wenn sich niemand mehr für ihren Erhalt einsetzt. Das ist mir Motivation genug, weiterzumachen. Jeder Bürger kann sich unabhängig von Bildung und Beruf einsetzen. Es bedarf allein des Engagements und der Empathie für unsere Mitmenschen.

Frage 3: Nicht zu unterschätzen ist bei der Arbeit in der Kommunalpolitik die Vielfalt der Themen — von der Sozialpolitik über Schule, Kultur bis zur Bau- und Verkehrsplanung aber auch gesetzliche Grundlagen. Die Bewältigung der Menge an Lesestoff etwa der Sitzungsvorlagen, Anträge etc ist dabei eine große Herausforderung — auch vor dem Hintergrund, dass viele von uns voll im Berufsleben stehen.

Gisela Hohlmann ist als Diplom-Sozialpädagogin in der Leitung des Stadtteiltreffs "Mittendrin" der Caritas in Garath tätig. Seit 35 Jahren ist sie mit Michael Hohlmann verheiratet und hat mit ihm vier erwachsene Kinder und einen Enkelsohn. In der SPD ist sie schon seit über 40 Jahren Mitglied. Die Beweggründe für ihr politisches Engagement sind die Schwerpunkte soziale Gerechtigkeit sowie nachhaltige Umweltpolitik. Nachdem sie 1984 als Sachkundige Bürgerin im Stadtrat tätig war, wurde sie 1989 zunächst Kreistagsabgeordnete und später Stadtverordnete. Zwischenzeitlich war Hohlmann stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Rat der Stadt Neuss. Außerdem ist sie langjährige schulpolitische Sprecherin, Stellvertretende Bürgermeisterin und Stadtverordnete in Gnadental. Zusätzlich ist die 60-Jährige Gründungstifterin der Bürgerstiftung Neuss — Bü.NE (2008).

Frage 1: Durchschnittlich dürften es bei mir in den zeitlich besonders intensiven Funktionen als Wahlkreisbetreuerin in Gnadental, Stadtverordnete, Schulausschussvorsitzende und stellvertretende Bürgermeisterin circa zwei bis drei Stunden täglich sein. Das klappt bei mir eigentlich nur, weil ich mich auf eine berufliche Tätigkeit in Teilzeit konzentriere.

Frage 2: Offiziell bekommt man als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin in der Tat nur selten ein Lob. Aber bei meinen vielen Kontakten mit den Menschen, die mir täglich begegnen, zum Beispiel in den Schulen, bei Alters- und Ehejubiläen oder bei anderen offiziellen Anlässen als Stellvertretende Bürgermeisterin, bekomme ich oft Positives zu hören. Auch wenn man in Neuss etwas zum Positiven ändern kann, spornt das an!

Frage 3: 1. Offen für die Menschen sein! 2. Geduldig zuhören können und nur versprechen, was man auch halten kann. 3. Wissen wie es geht, wenn dann Zusagen umgesetzt werden müssen.

Waltraud Beyen ist als Kümmerin von Derikum und Norf bekannt. Rund um die Uhr ist sie für Bürger, Institutionen und Vereine im Einsatz. Es gibt keinen Tag, an dem ihr Telefon still steht. Die 74-Jährige hat drei Töchter alleine großgezogen, war nach eigenen Angaben eine der "ärmsten Mütter von Neuss". Dennoch hat die gelernte Hotelkauffrau nie vom Amt gelebt. Wenn jemand die Nöte und Sorgen der Bürger versteht, dann ist sie das. Später schaffte die Norferin den Sprung zur Geschäftsführerin und machte sich dann selbstständig. Seit über 30 Jahren ist sie in der Ratsarbeit aktiv. Beyen ist derzeit Stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschusses Norf, Stellvertretende Vorsitzende des Ortsverbandes Norf und war lange Jahre bis zur Auflösung Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forum. Danach hat sie die Vereinigung der Muslimischen Gebetshäuser in Neuss gegründet. Seit 30 Jahren betreut sie außerdem die erfolgreiche Tanzgarde des TSV Norf und der Heimatfreunde. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Integration, wo nach Beyens Angaben noch viel zu tun sei.

Frage 1: Ich bin täglich mindestens fünf Stunden aktiv. Das gilt auch für das Wochenende.

Frage 2: Die Arbeit mit den Bürgern motiviert mich. Auch helfen sie, den Frust mit den Ämtern und den Kollegen zu ertragen. Der Kontakt mit den Menschen macht mir im Übrigen mehr Spaß als die Sitzungen.

Frage 3: Nur eine Voraussetzung sollte ein Ratspolitiker unbedingt mitbringen. Er sollte das Interesse der Bürger über sein eigenes stellen.

(Kurier-Verlag)