Gewerkschaft NGG: „Acht-Stunden-Tag darf nicht kippen“ Knapp 710.000 Stunden im Job – das „Fleißpensum“ im Rhein-Kreis Neuss pro Tag

Rund 705.000 Stunden arbeitet der Rhein-Kreis Neuss – und zwar im Schnitt an jedem Tag. So viele Arbeitsstunden leisten nach Berechnungen des Pestel-Instituts alle Arbeitnehmer zusammen: im Handwerk, in der Industrie, in den Dienstleistungen und im Handel. „Das ist das große Fleißpensum vom Kreis – die ‚Tages-Stechuhr vom Rhein-Kreis Neuss‘. Viele schieben täglich Überstunden.

Acht Stunden – alles darüber geht stark auf die Gesundheit und schraubt das Unfallrisiko nach oben, warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG stemmt sich damit gegen Pläne der Bundesregierung, den 8-Stunden-Tag zu kippen. „Das wäre das Go für den Mammut-Arbeitstag mit 12 Stunden. Und den steht auf Dauer keiner durch“, so die Geschäftsführerin der NGG Krefeld-Neuss, Ina Korte-Grimberg.

Foto: NGG/Florian Göricke

Und auch Schichtarbeit ist eine Riesenherausforderung für die Beschäftigten: Gerade der Wechsel von Früh-, Tages-, Spät- und Nachtschicht reibt viele Menschen auf“, sagt Ina Korte-Grimberg von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Die Geschäftsführerin der NGG kritisiert, dass die Bundesregierung jetzt auch noch an der Arbeitszeit rüttele: „Der Bund will den 8-Stunden-Tag kippen. Künftig sollen 12-Stunden-Schichten möglich sein. Das darf auf keinen Fall passieren“, so die Kritik von Ina Korte-Grimberg. Die Gewerkschafterin warnt: Die Beschäftigten würden das teuer bezahlen – und zwar mit ihrer Gesundheit. Die NGG ruft ihre Mitglieder dazu auf, sich an der bundesweiten Kampagne des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) „Mit Macht für die 8“ zu beteiligen.

Die Gewerkschaft warnt vor „zu viel Arbeit am Stück“. Wer regelmäßig mehr als zehn Stunden am Tag oder über 40 Stunden in der Woche arbeite, der werde das irgendwann merken: „Es fängt mit Kopfschmerzen und Schwindelgefühl an“, so Ina Korte-Grimberg. Auch Verdauungsstörungen und Schlafstörungen seien oft Folgen von einer zu langen Arbeitszeit. „Viele Beschäftigte ignorieren diese Signale. Richtig schlimm wird es, wenn Überstunden in Dauerschleife zu einem Burnout, zu Depressionen, Diabetes oder zu einem übermäßigen Alkoholkonsum führen“, sagt NGG-Geschäftsführerin Korte-Grimberg.

Besonders belastend seien auch unregelmäßige Arbeitszeiten: „Vor allem Früh-, Spät- und Nachtschichten bringen die innere Uhr enorm durcheinander. Wenn die dann noch im Wechsel laufen, wird es für die Gesundheit schnell kritisch“, sagt Ina Korte-Grimberg. Gerade auch in der Lebensmittelindustrie gebe es oft Wechselschichten. „Rückenschmerzen, Müdigkeit und Niedergeschlagenheit sind typische Phänomene bei der Arbeit in wechselnden Schichten“, so Korte-Grimberg. Gut die Hälfte der Beschäftigten klage über Schlafstörungen.

Außerdem seien lange Arbeitstage auch aus Sicht des Arbeitsschutzes nicht ungefährlich. „Denn das Unfallrisiko steigt nach acht Stunden stark an. Die Ermüdung nimmt zu, die Konzentration ab. Zehn Stunden und mehr am Stück sind hoch riskant. Ab der zwölften Stunde passieren statistisch doppelt so viele Unfälle wie bei einem Acht-Stunden-Tag“, sagt Ina Korte-Grimberg.

Die Geschäftsführerin der NGG beruft sich dabei auf arbeitsmedizinische Untersuchungen. Eine hohe Wochenarbeitszeit wirke sich auch auf das Schlaganfallrisiko aus. Dies steige bei 41 bis 48 Wochenstunden um zehn Prozent. Bei 55 und mehr Stunden pro Woche sogar um 33 Prozent.

Gleichzeitig erschwerten noch längere Arbeitszeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so Korte-Grimberg. Die Gewerkschafterin weiter: „Wer holt das Kind aus der Kita ab oder unterstützt pflegebedürftige Angehörige, wenn überlange und unplanbare Arbeitstage die Regel sind?“

Daher spricht sich die NGG klar für ein „Hände weg vom Arbeitszeitgesetz“ aus. „Denn zum guten Gesundheitsschutz gehört, dass die maximale Arbeitszeit pro Tag ordentlich geregelt ist: Am Acht-Stunden-Tag darf keiner rütteln. Wer die Tageshöchst-Arbeitszeitgrenze aus dem Gesetz streicht, sägt an einem zentralen Pfeiler des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Das müssen die Bundestagsabgeordneten aus dem Rhein-Kreis Neuss und der Region wissen und mit nach Berlin nehmen“, fordert Ina Korte-Grimberg.