Gedenken an jüdischen Arzt in Büttgen Erster Stolperstein gegen das Vergessen

Büttgen · Die so genannten Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig sind kleine Mahnmale gegen das Vergessen – mit großer Wirkung. Sie sollen an das Schicksal von Menschen erinnern, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Vor dem Haus Rathausplatz 15, in dem Dr. Winfried Selbiger bis 1933 praktizierte, wird ein Stolperstein an das Schicksal des jüdischen Arztes erinnern.

Vor dem Haus Rathausplatz 15, in dem Dr. Winfried Selbiger bis 1933 praktizierte, wird ein Stolperstein an das Schicksal des jüdischen Arztes erinnern.

Foto: privat (Familienbesitz)

Am Donnerstag wird ein solcher Stein in den Gehweg vor dem Haus Rathausplatz 15 in Büttgen eingelassen. Hier hatte bis 1933 der jüdische Arzt Dr. Winfried Selbiger praktiziert.

„Es wird der erste und wahrscheinlich auch der letzte Stolperstein in Kaarst sein“, erklärt Religionslehrer Carl-Wilhelm Bienefeld, dass trotz intensiver Recherchen keine weiteren Juden in Kaarst entdeckt wurden. Die Geschichte mit dem ersten Stolperstein ins Rollen brachte Nadine Graber, Lehrerin an der Städtischen Gesamtschule Kaarst-Büttgen. Im Gespräch mit einem jüdischen Arzt hatte sie von Dr. Selbiger erfahren. Gemeinsam mit Bienefeld gründete sie an ihrer Schule eine Arbeitsgemeinschaft „Jüdische Geschichte in Deutschland“, die von Experten wie Stadtarchivar Sven Woelke, dem Historiker Reinhold Mohr und dem Arbeitskreis Heimatkunde der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Büttgen unterstützt wurde. Mohr hat die Ergebnisse seiner Nachforschungen in einem Text zusammengefasst. Überschrift: „Verfolgt, vertrieben, ausgewandert, zurückgekehrt und gescheitert. Das tragische Schicksal des jüdischen Arztes Dr. Winfried Selbiger“. Diese Lebensgeschichte soll in Kürze in Buchform veröffentlich werden.

Die Nazis zerstörten Dr. Selbigers Leben. 1932 hatte er sich in Büttgen als Hausarzt niedergelassen, wurde Mitglied des Allgemeinen Ausschusses des Vereins St. Aldegundis-Stift Büttgen, der seit 1906 ein Schwesternheim zur häuslichen Krankenpflege und seit 1925 ein Krankenhaus in Büttgen an der Driescher Straße betrieben hatte. Ende Oktober 1933 wurde er von den Nationalsozialisten in Schutzhaft genommen und erhielt ein Berufsverbot. Bei seiner Entlassung aus der Haft erhielt er die Auflage, weder seine Praxis noch seine Wohnung zu betreten und so wanderte er nach Tansania aus. 1954 kehrte er nach Deutschland zurück, sich verschiedene berufliche Stationen an. Ende 1961/Anfang 1962 verstarb er, seine Todesumstände sind bis heute ungeklärt. Ein Schicksal, an das ab Donnerstag, 20. Oktober, mit einem Stolperstein erinnert werden soll. Die rund zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatte ist mit den wichtigsten Stationen Selbigers Leben beschriftet. Um 8.45 Uhr wird der Stein vor dem Haus Rathausplatz 15 verlegt. Mit dabei sind Gunter Demnig, Initiator der bundesweiten Stolpersteine-Aktion, Schüler der Gesamtschule Büttgen und Reinhold Mohr, der über Selbigers Schicksal berichten wird. Auch die Schützenbruderschaft hat sich eine besondere Aktion ausgedacht. Alle Bürger sind eingeladen, an der Verlegung des Stolpersteins und am Gedenken an Dr. Selbiger teilzunehmen. Bienefeld: „In den Schulen wird immer wieder über das Leid im Dritten Reich gesprochen, jetzt bekommt dieses Leid ein Gesicht und einen Namen. Auch mitten in Büttgen wurden Menschen verfolgt.“ Rolf Retzlaff

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