Haushaltsbeschluss vertagt — Kaarst steht vorläufige Haushaltsführung bevor

Kaarst · Fast zwei Stunden lang wurde diskutiert, gemahnt und gestritten — dann fiel die Entscheidung: Der Stadtrat vertagte in seiner gestrigen Sitzung mit 25 Ja-, 23 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen die Verabschiedung des städtischen Haushaltes 2017 auf den 23. März und folgte damit dem Antrag des Fünfer-Bündnisses.

 Weihnachtssterne auf den Tischen der Ratsmitglieder — doch von vorweihnachtlicher Harmonie keine Spur: Das Fünfer-Bündnis setzte sich gegen CDU und Bürgermeisterin durch.

Weihnachtssterne auf den Tischen der Ratsmitglieder — doch von vorweihnachtlicher Harmonie keine Spur: Das Fünfer-Bündnis setzte sich gegen CDU und Bürgermeisterin durch.

Foto: Rolf Retzlaff

Der Stadt Kaarst steht jetzt eine vorläufige Haushaltsführung bevor.

Während die CDU-Fraktion gesammelt für den Haushaltsentwurf der Verwaltung stimmte, sorgten SPD, Grüne, FDP, UWG und FWG für die Vertagung. In seinem Antrag hatte der Parteienzusammenschluss auch die Verwaltung beauftragen wollen, "den Entwurf dahingehend zu ändern, dass bis 2020 wieder ein strukturell ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann. Der Stadtrat beauftragt die Verwaltung, dem Stadtrat am 9. Februar 2017 einen entsprechenden Entwurf vorzustellen." Bürgermeisterin Dr. Ulrike Nienhaus wehrte sich vehement gegen diese Antragspunkte: "Eine Rückverweisung wie im hier zitierten Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, UWG und FWG gefordert, sieht die Gemeindeordnung überhaupt nicht vor und ist auch nach Auffassung des Innenministeriums schlicht unzulässig."

Ein Beschluss zu diesen Punkten sei rechtswidrig: "Dies wäre ein Zurückweisungsbeschluss, den ich zu beanstanden hätte." Dann stellte sie fest, dass durch die erwartete Senkung der Kreisumlage, durch beschlossene Einzelmaßnahmen aus dem Hauptausschuss und durch den von der SPD vorgelegten Antrag zur Veräußerung der Immobilien Bäumchensweg und Rotdornstraße (laut Verwaltung würde dies rund 800.000 Euro einbringen) ein Haushaltsplan 2017 ohne Erhöhung der Grundsteuer und ohne die Gefahr einer Haushaltssicherung beschlossen werden könne.

Bürgermeisterin Nienhaus machte nochmals deutlich dass der Rat auf der Grundlage des von der Verwaltung in den Rat eingebrachten Haushalts-Entwurfes seine eigenen Vorstellungen über den Haushalt realisieren und die aus seiner Sicht — nicht die aus Sicht der Verwaltung — notwendigen Änderungen konkret beschließen müsse. Die Etatkompetenz liege ausschließlich beim Rat — als Souverän und gewähltes Gremium für die Kaarster Bürger. "Dies alles war bekannt, um jetzt — nach zweieinhalb Monaten — festzustellen: wir müssen vertagen? Vertagen, weil der Mut fehlt, Vorschläge zu unterbreiten und Entscheidungen zu treffen und — wie es im Antrag steht — die Verwaltung wieder zu beauftragen statt selbst Vorschläge zu machen? Es wurde im vergangenen Jahr umfangreich thematisiert, in welchen Bereichen Kürzungen denkbar seien. Ich habe jedoch nicht eine einzige Anregung erhalten, wo solche akzeptabel sein könnten", warf Nienhaus der Politik vor, der Verwaltung nicht aufzuzeigen, wo und in welchem Maße gespart werden solle. Und auch Kämmerer Stefan Meuser machte deutlich, dass der Verwaltung jetzt der politische Wille als Orientierung für die Haushaltsführung fehle.

Die Konsequenz formuliert Nienhaus: "Da der Verwaltung ja nicht bekannt ist, bei welchen Positionen im Ergebnisplan zukünftig Einsparungen erfolgen sollen, sind hier die Sparmaßnahmen unmittelbar vorzunehmen. Denn bei einer Verabschiedung des Haushaltes Mitte 2017 ist ja ein rückwirkendes Sparen nicht mehr möglich." So müsse zum Beispiel der Bürgerfrühschoppen im Januar gestrichen werden, viele freiwillige Leistungen könnten nicht erbracht werden. Einstellungen — auch von Auszubildenden oder die Weiterbeschäftigung von befristet Beschäftigten — könnten nur mit Zustimmung des Rhein-Kreises Neuss erfolgen.

Notwendige Investitionen könnten nicht begonnen werden — der Auftrag für den Bau des Feuerwehrgerätehauses in Büttgen könne nicht erfolgen, die Erweiterung der OGS der Matthias-Claudius-Schule sowie die Planungen für die Grundschule Stakerseite könnten nicht angegangen werden. Die Planungen für die Ausweichstätte des AEF für die Kabarettveranstaltungen müssten liegen bleiben. Zudem könnten keine Grundstücksankäufe erfolgen. Deshalb apellierte Nienhaus an die Ratspolitiker: "Legen Sie Sparvorschläge vor, die wir dann auch gemeinsam in 2017 hinsichtlich ihrer Wirkung diskutieren und beraten können. Aber geben Sie den Kaarster Bürgerinnen und Bürgern einen Haushalt!"

Doch der Appell erreichte das Fünfer-Bündnis nicht. Grünen-Chef Christian Gaumitz sprach von "fraktionsübergreifenden Lösungen", die man in den kommenden Wochen gemeinsam finden solle, vom Aufbrechen des Kreislaufs, dass die eine Seite Vorschläge mache und die andere Seite diese ablehne. Das sah auch Wilbert Schröder so, der vor einigen Tagen aus der Grünen-Fraktion ausgetreten ist und jetzt als Einzel-Ratsmitlied agiert: "Ich bin verwundert, wie wenig qualifiziert das hier abläuft — ich sehe zwei Blöcke, die aufeinander eindreschen."

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