So klappt’s auch ohne Ampeln mit dem Straßenverkehr Gemeinschaftsplätze nach Duisburger Vorbild bald auch in Neuss?

Eine Welt ohne Verkehrszeichen und Signalanlagen, in der Autofahrer, Radler und Fußgänger gleichberechtigt nebeneinander leben – reine Fiktion? Mitnichten: Im Rahmen der Umgestaltung des Wendersplatzes könnte die Kreuzung Hammer Landstraße/Hessentordamm/Batteriestraße/Markt in einen so genannten „Shared Space“ umgewandelt werden. Was genau dies bedeuten würde, hat jetzt eine Neusser Delegation in Duisburg begutachtet.

 Immer schön Blickkontakt halten: Der Opernplatz ist einer der Gemeinschaftsplätze in Duisburg.

Immer schön Blickkontakt halten: Der Opernplatz ist einer der Gemeinschaftsplätze in Duisburg.

Neuss. Die Stadt in der Metropolregion Rhein-Ruhr verfügt über fünf „Shared Spaces“, die sie bürgerfreundlich Gemeinschaftsplätze nennt. Der Neusser Planungsdezernent Christoph Hölters war damals als Leiter des Duisburger Planungsamtes an der Umsetzung der Planungsphilosophie beteiligt. Und so lag es nahe, sich gemeinsam mit Vertretern des Planungsausschusses, der Verwaltung, der Agenda für Stadtentwicklung und des ADFC vor Ort zu informieren. Stationen waren der Bahnhofsvorplatz, der Hamborner Altmarkt und der Opernplatz. Sie alle werden durch stark frequentierte Hauptverkehrsstraßen dominiert. Vor 13 Jahren wurde der Opernplatz in einen Gemeinschaftsplatz verwandelt, mittlerweile folgten vier weitere Verkehrsknotenpunkte. Das Konzept: Die Autos dürfen nur Spielstraßentempo (6 km/h) fahren, auf Verkehrsschilder und Ampelanlagen wird verzichtet. Fahrbahnmarkierungen zeigen den Autofahrern, wo sie langfahren sollten. „Im Grunde genommen darf sich jeder Verkehrsteilnehmer frei bewegen“, erklärt Hölters. Und das funktioniert? „Sehr gut“ weiß Hölters, und man könne viele Parallelen zu Neusser Plätzen herstellen. Allerdings sei eine individuelle Planung unabdingbar. Ganz wichtig: Der komplette Bereich des Gemeinschaftsplatzes muss zu überblicken sein. „Der Blickkontakt der Verkehrsteilnehmer untereinander ist entscheidend“, so Hölters. Sie müssten miteinander agieren, sich aufeinander einstellen, Rücksicht aufeinander nehmen. Vor der Schritttempo-Zone wird in Duisburg das Tempo von 50 auf 30 km/h und schließlich oftmals durch einen Kreisverkehr gedrosselt. Ein weiterer wichtiger Aspekt: „Wir müssen den Bürgern unter anderem mithilfe von Infoveranstaltungen vor Ort und auf Wochenmärkten deutlich machen, weshalb der Gemeinschaftsplatz gut für sie ist“, so Hölters. Und wo könnten in Neuss Gemeinschaftsplätze entstehen? Neben der eingangs erwähnten Kreuzung im Bereich Wendersplatz führt der Dezernent als Beispiele den Theodor-Heuss-Platz und die Kreuzung Erft-/Adolf-Flecken-Straße/Platz am Niedertor an. Auch über den Berliner Platz könne nachgedacht werden, „die Kreuzung müsste allerdings im Kern bestehen bleiben.“ Die Randgebiete könnte man unter dem Aspekt der neuen Verkehrsphilosophie betrachten.

Karl Heinz Baum, Vorsitzender des Ausschusses für Planung und Stadtentwicklung, zieht aus dem Besuch in Duisburg die Erkenntnis, dass man Lösungen dieser Art auch in Neuss angehen könne. Er setzt auf eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 20 bis 30 km/h. „Dieses Tempo fahren realistisch betrachtet die Autos auch auf den Duisburger Gemeinschaftsplätzen“, hat Baum beobachtet. Er rät, einen Shared Space „wenn wir diesen Schritt gehen, nicht nur an einer Stelle in Neuss zu installieren. Die Neusser Verkehrsteilnehmer müssen sich daran gewöhnen – und das geht nur mit mehreren Gemeinschaftsplätzen.“

Rolf Retzlaff

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