20 Kilo auf der Schulter: Woher kommt die Tradition mit den Blumenhörnern?
Neuss · Es ist für viele der schönste Moment des Schützenfestes: Wenn die Hönesse mit ihren farbenfrohen Blumenhörnern den Maat erop marschieren ist das Staunen bei allen Zuschauern Jahr für Jahr groß. "Ich bekomme dabei jedesmal eine Gänsehaut", gibt Jägermajor Hans-Jürgen Hall zu.
Was viele nicht wissen: Die aufwändig geschmückten Blumenhörner sind bis zu 20 Kilo schwer, unsere Hönesse vollbringen also ein wahrer Kraftakt. Lesen Sie, wie die bunten Hingucker beim Floristen entstehen und woher der Brauch überhaupt kommt.
Rund 50 Hönesse werden auch in diesem Jahr den Markt in ein Blumenmeer tauchen. Da ist es kein Wunder, dass die Neusser Floristen über die Festtage Hochbetrieb haben. Blumengestecke, Sträuße und Deko gehören am letzten Augustwochenende in der Quirinusstadt einfach dazu.
Eine ganz besondere und ehrenvolle Aufgabe ist die Gestaltung der Blumenhörner. "Das macht man immerhin nur einmal im Jahr", sagt Daria Kaminski, Floristin und Inhaberin ihres eigenen Blumenlädchen "Blumenzauber Kaminski" auf dem Theodor-Heuss-Platz 1. Deshalb kümmert sich in den meisten Fällen auch der Chef selbst um das Bestücken des Horns. Die Schützen entscheiden im Vorfeld, wie das florale Kunstwerk am Ende aussehen soll und haben in der Regel ganz genaue Vorstellungen. "Am beliebtesten sind nach wie vor die Farben Rot und Weiß, eben unser Nüsser Markenzeichen", schmunzelt die Floristin. Rund 200 Blumen benötigt sie, um ein Horn reich zu bestücken, zusätzlich nutzt sie grüne Zweige oder dekoratives Kraut als Füllmaterial. Eine Stunde dauert das Prozedere — eine Arbeit, die ihr ganz besonders viel Spaß macht. Denn das Ergebnis ist immer wieder beeindruckend.
Aber woher kommt die Tradition der Blumenhörner?
Schon im Frühen Mittelalter wurden die Hörner von Rindern als Trinkhörner genutzt. Nach und nach setzten sich jedoch Becher und Krüge aus Keramik oder Glas im Alltag durch. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten Trinkhörner eine Renaissance und wurden zu einem beliebten Requisit geselliger Männerrunden.
In Neuss waren diese Hörner besonders beliebt: Die Schützen wollten im 19. Jahrhundert bei den oft langen Umzügen durch die Straßen der Stadt nicht auf ihr Lieblingsgetränk verzichten. Daher füllten sie große Hörner, die oft mehrere Liter Inhalt fassten, mit Bier, verschlossen sie mit einem Deckel und konnten die "Wegzehrung" unterwegs nach und nach an die Zugmitglieder ausschenken. Wenn das Horn leer war, wurde es in der nächsten Gastwirtschaft direkt nachgefüllt.
Auch heute kann man beim Schützenfest solche großen Hörner sehen; diese sind allerdings nicht mehr mit Bier, sondern mit aufwändigen Blumengestecken gefüllt. Die Geschichte dazu, wie ein Trink- zum Blumenhorn werden konnte, wurde mündlich überliefert: 1884 ließ sich eine Gruppe von Schützen ein neues Trinkhorn anfertigen, allerdings fehlte zum Schützenfest noch der Deckel. Zum Transport von Flüssigkeiten konnte man es nicht nutzten.
Aber mitführen wollte man das neue Horn doch. Also füllten es die Männer nicht mit Bier, sondern ersatzweise mit Blumen, und präsentierten das ungewöhnliche Horn bei der Parade. In den folgenden Jahren fand diese Idee immer mehr Nachfolger und heute sind die Blumenhörner eine der großen Attraktionen des Neusser Schützenfestes.