Warum Thomas Nickel verloren hat...

Es ist nicht richtig, wenn Wahlverlierer Thomas Nickel sagt: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Er müsste sich eines vorwerfen, was ihn gleichzeitig auch wieder entlastet: Die zu große Nähe zum "Vesuv von Neuss", Herbert Napp, den er noch beim Wahlkampfauftakt in der Pegelbar umjubelte.

 Thomas Nickel (rechts) und sein Wahlkampfleiter Tobias Goldkamp haben jeden Tag für den Sieg geackert, aber die Wechselstimmung nicht selbst nutzen können.

Thomas Nickel (rechts) und sein Wahlkampfleiter Tobias Goldkamp haben jeden Tag für den Sieg geackert, aber die Wechselstimmung nicht selbst nutzen können.

Foto: Foto: Violetta Buciak

Dabei hätte es den Wechsel in Neuss auch mit einem unabhängigen Thomas Nickel geben können. Denn vor Jahren waren er und Napp noch keine besten Freunde. Im Stadt-Kurier-Interview wetterte Nickel gegen Napp. Doch das ließ er bei der Autorisierung von seinem Wahlkampfleiter Tobias Goldkamp "frisieren".

Es ist kalt geworden.

Bürgermeister Herbert Napp erreicht spät in der Nacht mit seinem Dienstwagen über einen Fußgängerweg die SPD-Wahlparty in der "Alten Post" und parkt wie immer im absoluten Halteverbot. Also sein angestellter Fahrer natürlich, denn Herbert Napp fährt selten selbst. Knöllchen treiben er und seine CDU von anderen ein. Satte 1,5 Millionen Euro von den braven Neusser Autofahrern braucht die Stadt jährlich, um den Haushalt zu sanieren.

Die Politessen stehen unter Druck, bekommen Lob, wenn sie viele Bürger aufschreiben. Die CDU verlangt das in den Haushaltsplanungen. Doch gelbe Briefe flattern nicht nur vom Amt für Verkehrslenkung in die Briefkästen der Neusser Bürger, die zu Melk-Kühen der CDU-regierten Stadtverwaltung geworden sind. Für fast jede Dienstleistung halten die Rathaus-Angestellten, die ja bereits alle durch die Steuern der Bürger bezahlt sind, die Hand auf. Das demotiviert die Bürger und macht viele wütend. So wütend wie die gesamte Bundesmusikkapelle um Sven Hösen, die völlig zu Unrecht Knöllchen bekam, als beim Further Schützenfest Parkplatzschilder einfach umgestellt wurden.

Die höchsten Schwimmbad-Eintritte weit und breit, teures kalkhaltiges Wasser, das unsere Waschmaschinen zerstört, teurer Strom, zu wenig Wohnungen. Alles sehr, sehr teuer in Neuss. Auch die Kindergärten. Für viele unbezahlbar.

Mit den Einnahmen wird dann ein Millionen-Loch namens Empanchoir am St. Josef Krankenhaus gebuddelt, das keiner braucht und nur von einigen Bildungsbürgern gutgeheißen wird. Doch die antiquierten Kulturfreunde mit ihren Adler-Mäntelchen und karierten Baskenmützen reichen für eine CDU-Mehrheit nicht (mehr) aus. Volkspartei geht anders...

Zu teuer ist ein Freibad-Besuch (rund acht Euro pro Tag!) freilich nicht für jene CDU-Spitzenpolitiker, die mehrere Urlaube pro Jahr auf Sylt bei Schampus und Austern verbringen oder auf Kosten irgendwelcher dubioser "Töpfe" ferne Länder besuchen und sich in Kolumbien in weißen Leinen-Anzügen ablichten lassen. Sie gehen in die Luxus-Therme.

Wenn Thomas Nickel allen Ernstes glaubt, dass es keine hungernden Kinder, keine armen Familien in Neuss gibt — ist dies mehr als tragisch und zeigt, mit welcher Arroganz der Macht und Ignoranz die CDU in Neuss Politik macht.

Wer mit einem unfassbar teuren Montblanc-Füller im Rathaus Dokumente unterzeichnet, während nebenan der Staatsanwalt Korruption aufdeckt oder im Nachbarzimmer Schulkindern das Schokoticket vorenthalten wird, der hat eben den Knall noch nicht gehört.

Wer beim exklusiven "Königsmahl" mit seinen Spezis, die ihm später alle in den Rücken fallen, erlesene Weine zelebriert oder beim "Festlichen Abend" die städtischen Tochterunternehmen nötigt, für einen erlauchten Kreis zartes Filet und Hummer zu servieren, der ist ganz weit weg vom Volk. Der einfache Bürger bezahlt über seinen Wasserverbrauch das Klüngel-Treffen der Mächtigen namens "Was gibt's Neuss" auf der Rennbahn, weil die Stadtwerke genötigt werden, ihren Gewinn in solche Lust- und Luxus-Veranstaltungen für die angeblich wichtigsten 200 Bürger der Stadt abzuführen, die in Hinterzimmern ausgesucht werden.

Auch der Bauverein muss kräftig für das so genannte Netzwerk-Treffen undemokratisch ausgesuchter Freibier-Gesichter zahlen. Der Initiator der Veranstaltung wird vom Bürgermeister-Fahrer im städtischen Dienstwagen chauffiert.

Seit vielen Jahren verliert die CDU von Wahl zu Wahl Stimmen. Das ist angesichts dieser notdürftigen Politik auch gerechtfertigt. Die so genannten Wahlanalysen im Marienhaus (jetzt gibt es am 30. September wieder eine) sind reine Alibi-Veranstaltungen. Niemand haut auf den Tisch, sagt die Wahrheit. Verschenkt.

Erlesene Fisch-Essen mit hohen Leuten aus der Wirtschaft und der Politik bringen nichts. Wem nutzt es, wenn Wolfgang Schäuble für viel Geld nach Neuss kommt und über Europa spricht?

Die Bürger wollen, dass lokale Aufgaben gestemmt werden. Ihnen ist es völlig Wurst, ob Schäuble und Nickel gemeinsam in den Rantumer Dünen Austern schlampampen. Ihnen ist es aber nicht egal, wenn ausgerechnet in der Nickel-Ära das beliebte Glockenspiel dauerhaft defekt ist, der Nüsser Ovend genau dann untergeht, wenn die Oberen der CDU selbst den Narren spielen wollen, als Prologius fungieren und den Rekeliser-Orden erhalten.

Die CDU hat sich Neuss zur Beute gemacht. Die Beute wehrt sich und vertraut sich Reiner Breuer von der SPD an

Nicht weil die SPD super gut aufgestellt ist, sondern weil die CDU so unfassbar schlecht geworden ist.

Die Menschen merken genau, wenn Thomas Nickel einem persönlichen Gegner namens Hermann-Josef Verfürth von der FDP nicht gönnt, mit einer Spendenaktion Hand in Hand mit dem Stadt-Kurier das Schützenglockenspiel zu retten und haben ein Gespür dafür, dass die CDU die FDP "gekauft" haben muss, weil sie fern jeder Vernunft auf einen eignen Kandidaten verzichtet. Die so genannten Liberalen sollten sich schämen! Klassisch verzockt haben auch sie sich. Vorsitzende dieser Partei sind für weit weniger schlimme Pleiten zurückgetreten. Auch den Grünen schadet es offenkundig, wenn sie sich bei der immer schlechter werdenden Union anbiedern.

Wie christlich ist die CDU eigentlich? Die Zeiten, wo versucht wird, über einen Anruf beim Vorgesetzten plumpen Druck auszuüben, sollten für die Union, die zur Zeit keine mehr ist, vorbei sein. Sie muss wieder zu einer Kameradschaft zusammenwachsen. Neuss braucht eine starke CDU. Aber eine gute, menschliche, eine mit Herz. Es ist auch gut, wenn die CDU sich einmal von Grund aus erholen und erneuern kann. Das muss nicht unbedingt nur personell sein. Mehr Demut aber wäre angebracht. Die gibt es in der Opposition gratis.

Die CDU ist ängstlich. Das Hauptthema "Flüchtlinge" umgeht sie, nimmt die diffusen Ängste der Bürger nicht ernst. Spätestens als Enkel von Altmeister Dr. Hüsch oder Vertreter der Heiligen Familien offen Werbung für Reiner Breuer machten, war doch klar, dass es ein "weiter so" nicht geben kann.

Thomas Nickel hat gekämpft. Respekt dafür. Er wollte wirklich Bürgermeister werden! Nur wenige standen bedingungslos an seiner Seite und haben mitgekämpft: Tobias Goldkamp, Hermann Gröhe und die Junge Union um Elke Schlangen zum Beispiel. Wo ist die einst so starke Mannschaft (meinetwegen Frauschaft), die geschlossen hinter dem Kandidaten steht? Dass der Parteichef Dr. Jörg Geerlings Thomas Nickel selbst als zu alt und unmodern angesehen hat, ist kein Geheimnis. Er stand aber wenigstens loyal zum Kandidaten und hat nicht mehr oder weniger versteckt Werbung für die naive grüne Kandidatin gemacht, die heute so und morgen so spricht und ihr Fähnlein in den Wind hängt. Frau tut Neuss gut. Aber nicht immer und auch nicht jede Frau!

Die CDU liegt am Boden. Doch es gibt keine Alternative zu Parteichef Dr. Jörg Geerlings. Er hätte das Format, alles von Grund auf zu erneuern und das Segel umzureißen. Weniger Schampus in der Pegelbar, mehr Bier oder Limo im Marienbildchen wäre ein Rezept: Den Leuten ehrlich zuhören.

Die CDU wird wieder zu Kräften kommen, wenn sie umkehrt. Reiner Breuer kann ein kollegialerer Bürgermeister sein als ihr eigener Napp.

Lernen kann die CDU von den Gewinnern Dieter Welsink und Hans-Jürgen Petrauschke. Die können es!

Frank Möll

P.S.:

Bürgermeister Herbert Napps Gesamtbewertung (also die vollen 17 Jahre seiner Amtszeit) muss für Neuss positiv ausfallen. Erst seitdem er sich als "Vesuv von Neuss" gefällt und vielen vor das Schienbein tritt, die ihm begegnen, bröckelt sein Ruhm ein wenig. Doch das ist auch normal bei einer solch langen Amtszeit. Aus diesem Grund wird unser Gastautor Dr. H.G. Hüsch die Leistungen Herbert Napps an dieser Stelle demnächst ausführlich würdigen.

(Kurier-Verlag)
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