Dabei war nicht das Seminar selbst inspirierend, sondern der Ort, an dem es stattfand: die Rheininsel Nonnenwerth, „für mich ein echter Sehnsuchtsort“, schwärmt die 59-Jährige. Ihr Aufenthalt in dem damaligen Kloster (ist mittlerweile geschlossen) zog sie vollkommen in den Bann, „das war wie in einer anderen Welt“. So erfand sie die fiktive Rheininsel Hohenwerth und machte sie zu einem der Schauplätze ihres Romans – neben Düsseldorf, Frankfurt und natürlich ihrer Heimatstadt. „Ein bisschen Kaarst steckt in jedem meiner Bücher“, schmunzelt Wünsche. 2013 hat sie mit dem Schreiben begonnen („Es war schon immer mein Lebenstraum, ein Buch zu schreiben“), jetzt erscheint ihr zehntes Werk; die ersten fünf waren Krimis, es folgten fünf Familienromane. Zwei davon landeten auf der Spiegel-Bestseller-Liste: „Aber Töchter sind wir für immer“ und „Heldinnen werden wir für immer sein“.
„Es bleibt doch in der Familie“ beschäftigt sich mit zwei Themen. „Einmal mit Erbschaft und der Frage was wir erben: Nur Materielles oder auch Verantwortung und einen Teil der Geschichte der verstorbenen Person“, erzählt die Autorin. Zudem gehe es um Identität – auch sexuelle und geschlechtliche Identität. „In meinem Beruf in der sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist das Thema zurzeit omnipräsent“, sagt die Leiterin des Jugendcentrums (JC) am Lindenplatz in Holzbüttgen.
Der neue Familienroman entführt den Leser in die Zeit der 1950er Jahre, aber der Großteil handelt im Hier und Jetzt. Wie schon in ihren vorherigen Familienromanen spielt Wünsche virtuos auf der vielstimmigen Klaviatur der Familiengefühle. Es geht um drei Schwestern und einen Zwillingsbruder, die das Erbe ihrer verstorbenen Tante Klara antreten sollen – ein altes Haus auf der Insel Hohenwerth und ihren gesamten Besitz. Dann tauchen zwei Neffen auf, die ebenfalls Ansprüche auf das Erbe stellen – und es kommt noch ein Unbekannter hinzu, offenbar Tante Klaras große Liebe. „Das Haus auf der Rheininsel ist nicht nur voller materieller Werte, sondern auch voller Erinnerungen“, weiß Wünsche. Neid, Missgunst und Misstrauen treten an die Oberfläche. Ein Tagebuch taucht auf: die Aufzeichnungen von Klaras vor Jahrzehnten verstorbenem Mann Peter. Hier wird deutlich: Die verzweifelte Suche nach sich selbst hat offenbar nicht nur seine Ehe erschüttert. „Die Protagonisten lernen sich neu kennen – und das nicht immer auf die nette Art“, so Wünsche.
„Es bleibt doch in der Familie“ soll nicht nur unterhalten, „sondern auch zum Nachdenken anregen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, „ich würde mich freuen, wenn ich meinen Lesern neue Impulse geben könnte“.
Apropos Impulse: Den Buchteilen ist jeweils das Zitat einer berühmten Persönlichkeit vorangestellt. Ein Beispiel: „Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit vielem begnügen noch schwerer“ (Marie von Ebner-Eschenbach). Und an den Schluss des 378 Seiten starken Werks hat Christiane Wünsche eins ihrer eigenen Gedichte gesetzt. Ein Auszug: „Ich wünsch mir eine neue Welt, so bunt wie ein Salat, wo Vielfalt zählt in Wort und Tat in jedem Kopf und Staat.“ Eine wichtige Botschaft – gerade in diesen schwierigen Zeiten ...