Neuss - Stimmungsmache in sozialen Netzwerken: Weshalb die ältere Dame in Gewahrsam genommen wurde

Neuss · „Der freie Wille ist das höchste Gut“ steht auf dem Schild, das die alte Dame um den Hals trägt. Sie jammert lauthals, ist in Handschellen und umringt von bis zu fünf Polizisten. Diese Szene, aufgenommen beim „Spaziergang“ der Corona-Skeptiker am Freitag, 14. Januar, kursiert zurzeit in sozialen Netzwerken.

 Jeden Montag und Freitag werden die „Spaziergänge“ von Polizei und Ordnungsamt begleitet. Meist verlaufen sie friedlich, doch am 14. Januar gab es einen Zwischenfall.

Jeden Montag und Freitag werden die „Spaziergänge“ von Polizei und Ordnungsamt begleitet. Meist verlaufen sie friedlich, doch am 14. Januar gab es einen Zwischenfall.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

In Kommentaren ist von „Gewalt an einer wehrlosen Frau“ die Rede, die Polizei wird als „Wegelagerer unserer Zeit“ beschimpft. Was war geschehen? Die ältere Dame und zwei weitere Personen hatten sich offenbar nicht an die Maskenpflicht gehalten. Nach mehrmaligen Aufforderungen durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes hätten die Personen aggressiv reagiert. „Eine der Personen reagierte in dieser Situation plötzlich körperlich aggressiv und ging die eingesetzten Kollegen des Kommunalen Service- und Ordnungsdienstes an“, erklärt Stadtsprecher Marc Bohn. Schließlich habe die Polizei Vollzugshilfe geleistet. Auch dabei sei es zu Widerstandshandlungen gekommen, so eine Polizeisprecherin. Die drei Personen wurden in Gewahrsam genommen und nach Organisation eines Transporters zur Polizeiwache Neuss zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung überführt. „Es wurden entsprechende Anzeigen erstattet. Die Grundordnungswidrigkeit wird nunmehr in einem normalen Verfahren hiervon losgelöst abgearbeitet. Nach unserem Kenntnisstand wurden die Personen im Anschluss sofort aus dem Gewahrsam entlassen“, so Bohn. Er macht deutlich: „Das veröffentlichte Video setzt erst nach der verbalen und körperlichen Aggressivität ein.“

Bis auf diesen Zwischenfall seien die „Spaziergänge“ bisher stets friedlich verlaufen, weiß Kreispolizeisprecherin Claudia Suthor. Zwar müssten die „Spaziergänge“, die laut Bundesverfassungsgericht als Versamlungen gelten, angemeldet werden – doch dies geschieht in Neuss nur selten. Aus „Gründen der Verhältnismäßigkeit“, so Suthor, werden die „Spaziergänge“ durch die City nicht aufgelöst; es wird Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Bürgermeister Reiner Breuer übt hier Kritik an Landrat Petrauschke, den Chef der Kreispolizeibehörde: „Seine Haltung verstehe ich in dieser Angelegenheit nicht immer.“

Rolf Retzlaff

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