Anwohner des Selikumer Wegs von Stadt-Forderung überrascht Erschließungskosten: 300.000 Euro für 40 Jahre alte Straße
Neuss · Vor rund 40 Jahren wurde der Selikumer Weg angelegt – eigentlich eine Idylle entlang der Obererft. Doch unter der Anwohnerschaft brodelt es gewaltig: Die elf Parteien wurden von der Stadt aufgefordert, Erschließungskosten in Höhe von rund 300.000 Euro zu zahlen.
Mit dieser Post hatte auf dem Selikumer Weg niemand gerechnet: Der „Bescheid über die Festsetzung und Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage Selikumer Weg“ trudelte am 21. Mai per Einwurf-Einschreiben mit gelbem Briefumschlag bei den Betroffenen ein – ohne jegliche Vorwarnung. Irene Schneider soll 16.190,62 Euro zahlen, fällig bis 3. Juli. Insgesamt fordert die Stadt von den Anwohnern 295.785,51 Euro (für Straßenbau 270.125 Euro, Grunderwerb/-bereitstellung 50.233,60 Euro, Beleuchtungsanlagen 9.403,08 Euro abzüglich zehn Prozent Stadtanteil). Der Grund, weshalb die Stadt so lange mit der Inrechnungsstellung gewartet hat: Die Straße war offenbar noch nicht komplett fertiggestellt, jetzt aber soll hier ein Wendehammer entstehen – und der würde offenbar für eine Vollendung des Selikumer Wegs sorgen. Für die Anwohner kam die Rechnung völlig unerwartet ins Haus geflattert. Anwohner hatten zum Teil von rund 20 Jahren hier ein Haus gekauft und wussten nichts davon, dass irgendwann Erschließungskosten fällig sind. Irene Schneider und ihr Mann Uwe Hertel hatten die Nachbarschaft zusammengetrommelt, um sich gemeinsam gegen die immensen Zahlungsforderungen zu wehren. Sie haben ihren Rechtsbeistand ins Boot geholt, hoffen aber auch auf das Entgegenkommen der Stadt.
Doch im Rathaus scheint man ebenfalls überrascht und zum schnellen Handeln gezwungen worden zu sein. Bisher durften Kommunen Grundstückseigentümer in Neubaugebieten an den Erschließungskosten zum Beispiel von Straßen beteiligen. Oftmals flattern die entsprechenden Bescheide Jahrzehnte später ins Haus, wie auf dem Selikumer Weg. Nordrhein-Westfalen will den Zeitraum nun gesetzlich deckeln und damit eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umsetzen – mit Frist zum 1. Juni 2022. Bau- und Planungsdezernent Christoph Hölters bring es auf den Punkt: „Die Bescheide mussten bis Ende Mai ausgestellt sein, sonst ist das Geld weg.“ In Neuss seien davon rund zehn Straße betroffen. „Die Anwohner haben eine Erschließungsleistung erhalten, die ihnen unmittelbar zugute gekommen ist. Es wäre ungerecht gegenüber dem Steuerzahler, diese Leistung nicht in Rechnung zu stellen“, erklärt Hölters, dass die Stadt ansonsten die Kosten träge müsste. „Die Stadt handelt nach Recht und Gesetz, nach nachvollziehbaren Kriterien und die Ausstellung der Bescheide hat nichts mit konkreten Bauvorhaben zu tun“, so der Beigeordnete.
„Wir sind nicht nur er-, sondern auch entschlossen“, so ein Anwohner der Selikumer Straße mit „Galgenhumor“. Und so will Irene Schneider Verbindung zu den Anwohnern der anderen betroffenen Straße in Neuss aufnehmen. Sie ist zu erreichen per Mail unter blumenfrau@icloud.com Rolf Retzlaff