Das Schützenkönigspaar Bert I. Römgens und „Saki“ Liampotis im Interview „Seit dem 24. August 2024 dürfen auch wir pure Freude erleben!“

Wenn Schützenkönig Bert I. Römgens (59) und sein Ehemann Dionissis „Saki“ Liampotis (46) über ihre Zeit als Neusser Schützenkönigspaar reden, ist ihnen die pure Begeisterung anzumerken. Stadt-Kurier-Redakteur Rolf Retzlaff sprach mit ihnen über das Zittern beim Königsvogelschuss, über die Riesenwelle der Freude, die sie durchs Jahr der Regentschaft trug, über ihr soziales Engagement und vieles mehr.

Riesenjubel: Bert I. Römgens wurde als neuer Schützenkönig über die Festwiese getragen – sehr zur Freude seines Mannes Saki Liampotis.

Foto: privat/Fotodesign mangual.de

Als nach dem Königsvogelschuss 2024 feststand, dass zum ersten Mal in der Neusser Geschichte ein gleichgeschlechtliches Königspaar sowie eine Majestät jüdischen Glaubens regieren wird, freuten sich zahlreiche Schützen auf der Festwiese auf ein Jahr im Zeichen von Toleranz und friedlichem Miteinander. Ist dies eingetreten?

Bert I.: Definitiv ja! Es gab keine einzige Situation, in der uns nicht ganz viel Freude und Empathie entgegengebracht wurden.

Saki: Wir wurden überall mit Respekt und Begeisterung empfangen!

Bert I.: Ich habe schon gewusst, dass das Amt des Schützenkönigs eine starke Strahlkraft hat, aber es war und ist viel toller, als ich es mir je vorgestellt habe.

War es für Sie schwer, sich als Schützenkönig nicht zu politischen Themen zu äußern?

Bert I.: Ich habe mich nicht klar zu politischen Themen geäußert, das ist nicht Aufgabe des Schützenkönigs. Aber Saki und ich werben für ein respektvolles und vielfältiges Miteinander. Das Motto unseres Zuges, die „Nüsser Divergenten“, lautet: „Vielfalt bereichert!“ Und das ist auch das zentrale Motto unseres Königsjahres.

Zurück zu den Anfängen: Sie haben 2023 und 2024 auf den Königsvogel geschossen. Standen Sie beim zweiten Versuch gegen Ihre Mitbewerber Klaus Ehren und Stephan Meier mehr unter Druck?

Bert I.: Zwischen Schuss 30 und 50 hatte ich den Königstitel bereits abgeschrieben; ich war mir sicher, dass es auch diesmal nicht klappen wird. Dann aber hat mir Christoph Sturm Storm, der Schießmeister der Grenadiere, Tipps gegeben. Durch den Schießkanal hatte ich keine freie Sicht auf den Vogel; also orientierte ich mich an der großen LED-Wand. Dann kam der 72. Schuss – mein 25.: Ich zielte, zitterte, setzte ab, zielte nochmals, hielt die Luft an, dann – YES!

Schützenkönig Bert I. Römgens (59) und sein Ehemann Dionissis „Saki“ Liampotis (46)

Foto: privat/Fotodesign mangual.de

Und dann rannten Sie los ...

Richtig, zu Saki und meinen Zugkameraden. Irgendwann hat mir dann Wladimir Kaminer gratuliert – total unwirklich (Der Bestsellerautor hatte damals für seine 3Sat-Dokumentation „Kaminer Inside“ das Neusser Schützenfest besucht, Anmerkung der Redaktion). Oben auf dem Podium spürte ich dann die Welle der Zuneigung.

Saki: Die Freude war auf dem ganzen Platz zu spüren.

Bert I.: Und als wir dann am Abend mit der Kutsche durch die Stadt gefahren wurden, erfuhren wir erneut unheimlich viel Zuspruch!

Wie lange hegen Sie schon den Wunsch, einmal in Neuss als Schützenkönig regieren zu dürfen?

Das war schon mein Kindheitstraum. Meine Mutter war keine Deutsche, mein Vater war Hubertusschütze. Ich wurde in Neuss geboren. Ich kann mich noch daran erinnern, wie bei den Festzügen die Stühle auf die Straßen gestellt wurden und gemeinsam geschaut wurde. Das war Teil des familiären Miteinanders. Das Schützenfest ist Teil meiner Neusser Identität.

Saki: Ich wurde in Velbert geboren, lernte das Schützenwesen durch Bert kennen und lieben.

Und waren Sie mit dem Wunsch Ihres Mannes, Schützenkönig werden zu wollen, einverstanden?

Saki: Ich habe ihn stets dabei unterstützt. Nach der Enttäuschung, als es beim ersten Mal nicht geklappt hatte, war ich beim zweiten Versuch skeptisch. Aber nachdem der Vogel fiel, war die Freude umso größer!

Seit wann sind Sie beide aktive Schützen?

Bert I.: Wir sind beide Gründungsmitglieder der „Nüsser Divergenten“ im Jahr 2018. Wir hatten als Ehrenamtler eine Einladung zum Fackelzug-Gucken ins Rathaus bekommen. Als wir dann die Schützen vorbeiziehen sahen, war für uns klar: Das wollen wir auch!

Saki: Und so starteten wir mit 13 Mann, jetzt sind wir 32 – inklusive Königspaar.

Da schließt er angesichts der bevorstehenden Gaumenfreude kurz die Augen ...: Bei der Eierdiebtaufe der Quirinus-Ritter gab‘s auch für Bert I. ein leckeres Eierlikörchen, sehr zur Freude von Oberleutnant Dominik Steiner (l.) und Heiner Sandmann (r.).

Foto: Quirinus-Ritter

Bert I.: Mit diesem Zug setzen wir ein Zeichen für Integration. Die meisten der Gründungsmitglieder kamen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten in den Bereichen Antirassismus, Integration und Jugendarbeit.

Was zeichnet das Schützenfest und das Schützenwesen insgesamt aus?

Bert I. und Saki (abwechselnd, ohne nachdenken zu müssen): Gemeinschaft, Brauchtum, Verbundenheit, soziales Miteinander, Verantwortung, soziale Integrationskraft, Spaß am Feiern ...

Bert I.: Egal, wer du bist – an den Schützenfesttagen bist du einfach Schütze!

Saki: Die Schützen sind eine riesengroße Familie!

Apropos Schützenfamilie ...: Jetzt gehören auch die Frauen dazu. Können Sie sich vorstellen, dass es eines Tages eine Schützenkönigin geben wird?

Saki: (nickt!)

Bert I.: Der Weg ist geebnet und wird sich in die richtige Richtung entwickeln.

Eine bunt gemischte Truppe: Der Hofstaat, der beim Krönungsball zum Einsatz gekommen war, wurde ganz im Zeichen der Integration zusammengestellt. Foto: Fotodesign mangual.de

Foto: privat/Fotodesign mangual.de

In die richtige Richtung geht auch Ihr soziales Engagement als Schützenkönigspaar.

Bert I.: Wir unterstützen mehrere Projekte. So haben wir die Schirmherrschaft beim Verein „Schützen gegen Krebs“ übernommen; er wurde vom Ex-Schützenkönig Marc Hillen während seiner Amtszeit gegründet, jetzt führt er ihn weiter. Hier machen wir gerne mit: Schließlich kennt ja nahezu jeder jemanden in seinem Umfeld, der an Krebs erkrankt ist. Toll, was Marc und sein Team leisten!

Beim Verein „Neuss hilft“ setzen wir uns für Hilfen mit klarem Bezug zu Neuss ein. Wir haben das Bündnis aus Johanniter Unfallhilfe, „Neuss hilft“ und Rheinpark-Center unterstützt: 14-tägig hält eine mobile Arztpraxis vor der Alten Post und bietet Wohnungslosen ärztliche Versorgung. Auch haben wir die Patenschaft der Aktion „Wärme schenken“ übernommen: „Neuss hilft“ hatte in der Vorweihnachtszeit warme Decken und Kleidung für Menschen in der Ukraine und in Neuss gesammelt.

Saki: Außerdem haben wir die „Himmelblaue Traumfabrik“ und die Michael-Holm-Stiftung unterstützt. Und wir haben uns für den Blutspendemarathon vor einigen Wochen starkgemacht. Das Resultat: 2023 waren rund 300 Spender gekommen, diesmal waren es knapp 500!

Bert I.: Und wir initiierten gemeinsam mit „Neuss hilft“ und dem Sozialdienst katholischer Frauen die Einrichtung einer Anlaufstelle für tagesobdachlose Kinder und Jugendliche im „Treff“ in Weckhoven, damit die Jugendlichen dort eine Mahlzeit selbst zubereiten oder erhalten.

Tolles Engagement auch weit über das Schützenwesen hinaus! Und das trotz der wahrscheinlich zahlreichen offiziellen Termine ...

Bert I.: Das waren sehr, sehr viele ... Ich schätze, es waren knapp 300 – aber wir haben auch versucht, jede Einladung anzunehmen. Wir hatten viele tolle Begegnungen und es war schön, mal bei den Feiern der einzelnen Schützenzüge dabei sein zu dürfen.

Gab es denn besondere Momente, die Sie gerne festgehalten hätten?

Bert I.: Ich werde das komplette Königsjahr nie vergessen! Es gab nicht den einen Moment, es gab unendlich viele tolle Momente.

Saki: Es gab kein Erlebnis, das nicht schön war!

Bert I.: Da gab es so viele schöne Veranstaltungen. Wir hatten beispielsweise eine „Yes King!“-Party mit Familie, Freunden, Komitee, ehem. Königen und Korpsführern veranstaltet, nachdem wir im Jahr zuvor nach dem verpassten Vogelschuss zur „No King!“-Party eingeladen hatten. Wir feiern halt gerne ... Auch waren da die Führung mit den Edelknaben durchs Rheinische Landestheater samt Eis- und Pizzaessen, das Beiern der Glocken im Turm von St. Quirin, die tolle Begleitung durch den Hofstaat beim Krönungsball, die Ü30-Party für alle Korps, die Treffen mit dem Sieger-Kreis – den Siegern aller Korps –, die Eierdieb-Taufe, Veranstaltungen der einzelnen Korpsdie Besuche der Stadtteil-Schützenfeste oder die Führung für einen Jung-Jägerzug durch die Neusser Synagoge. Und, und, und ...

Und worauf freuen Sie sich jetzt mit Blick auf die Festtage?

Bert (begeistert): Auf alles! Aufs Böllerschießen, auf die Umzüge, den Fackelzug, die Bälle, die Begegnungen oder auf die Reveille, wenn alle Tambourkorps auf dem Markt „Freut euch des Lebens“ anstimmen ...

Wird sich denn im Ablauf des Festes für Sie etwas ändern? Schließlich gibt es keine Königin, sondern einen Königsgemahl.

Saki: Ich werde bei wie immer der Königsparade bei den „Nüsser Divergenten“ mitmarschieren. Wir marschieren zum Glück sehr weit vorne. Danach werde ich mich auf den Rathausbalkon begeben. Das wird bestimmt ein einmaliges Erlebnis, inmitten der Damen die Parade genießen zu können.

Unter den Ehrengästen ist in diesem Jahr Rabbi Dr. Alexander Grodensky. Haben Sie den Kontakt geknüpft?

Nein, das war ein Vorschlag des NBSV-Präsidenten, was mich sehr gefreut hat.

Traditionell spendiert der Schützenkönig am Ende seiner Amtszeit der Stadt ein Geschenk als sichtbares Zeichen seiner Regentschaft. Werden Sie diese Tradition fortsetzen?

Bert: Wir werden eine Bodenplatte auf dem Markt stiften mit der Inschrift „Freut euch des Lebens“. Denn seit dem 24. August 2024 dürfen auch wir pure Freude erleben! Auch haben wir die Patenschaft über einen „Herzensbaum“ auf der Schützenwiese des Landesgartenschau-Geländes übernommen. Unser „Baum der Schützenkönige“ ist eine große Platane, sie steht ganz nah am Schießstand.

Schließlich gibt es noch eine von Barbara Sieg entworfene Brosche. Das Neusser Wappen mit klarem Design. Die Brosche wird am Dienstagabend unserem Nachfolger zur weiteren Verwendung überreicht.

Und da sind wir auch schon bei der nächsten Majestät: Was empfehlen Sie Ihrem Nachfolger?

Bert I.: Jeder soll es so machen, wie er denkt. Aber wir empfehlen, sich auf die Begegnungen mit vielen Menschen einzulassen. Wir sind zutiefst dankbar für dieses wunder-, wunderschöne Jahr!

Wo wir gerade bei Ihrer Nachfolge sind: Sie könnten Geschichte schreiben und die Rollen tauschen. Saki schießt den Königsvogel ab und Sie werden sein Königsgemahl. Für Sie beide eine Option?

Bert I.: Dieses Jahr war so genial, bombastisch, toll und einzigartig, dass es definitiv nicht für ein zweites weiteres – auch in vertauschten Rollen – zu toppen wäre! Vor daher zum jetzigen Zeitpunkt nein!

Was wünschen Sie abschließend den Schützen und Bürgern?

Bert I.: Dass wir gemeinsam wunderschöne Kirmestage erleben, mit viel Spaß beim Feiern und trockenem Wetter. Schützenfest ist da, wo Menschen friedlich und familiär miteinander feiern!

So machen wir es – ein wunderbares Schlusswort! Wir sehen uns auf der Festwiese, auf dem Kirmesplatz, der Rollmopsmeile, im Festzelt, in einer der zahlreichen mitfeiernden Gastronomien! Ganz Neuss feiert – und wir feiern mit!

Herr Römgens, Herr Liampotis, ich danke Ihnen für das Gespräch!