Und das gilt auch diesmal wieder: Der NBSV geht mit der Zeit, entwickelt sich weiter: Unser Redakteur Rolf Retzlaff sprach mit ihm über die denkwürdige „Zog Zog“-Versammlung, bei der erstmals Frauen mitmischen durften, über Online-Anmeldungen, die Neubesetzungen im Komitee, das tolle Schützenkönigspaar und die Beflaggung der Straßen während der Festtage.
Herr Flecken, das erste Mal „Zog Zog“ mit Frauenbeteiligung – wie war’s für Sie?
Völlig okay, der Ablauf war ja wie immer. Natürlich habe ich die anwesenden Frauen begrüßt und darauf hingewiesen, dass an diesem Tag alle Welt auf die Frauen blickt – nach Basel zum Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft ... (schmunzelt)
Wie viele Frauen waren denn bei der Versammlung dabei?
Es waren rund ein Dutzend Frauen und etwa 400 Männer anwesend. Schön fand ich, dass auch Männer gesichtet wurden, die unsere „Zog Zog“-Versammlung noch nie besucht hatten und jetzt als Begleitung ihrer Frauen mitkamen ...
Aber nach einer Revolution der Frauen hört sich das Ganze nicht gerade an ...
Nein, es haben sich zurzeit etwas mehr als hundert Frauen – bei insgesamt circa 6.000 Mitgliedern – beim NBSV angemeldet. Und meiner Einschätzung nach sind da manche dabei, die die Satzung nicht ändern und nicht mitmarschieren möchten. Sie sehen ihre Mitgliedschaft als Unterstützung des Neusser Brauchtums.
Sie haben zu Hause einen „Vier-Frauen-Haushalt“. Haben sich Ihre Frau und Ihre Töchter beim NBSV angemeldet?
Noch nicht, meine drei volljährigen Töchter müssen das natürlich selbst entscheiden, doch meine Frau wird gewiss Mitglied werden, sie unterstützt den Verein ja schon wie alle Komiteefrauen vielfältig; auch unser Sohn ist ja zum elften Mal als aktiver Schütze dabei.
Wie viele Mitglieder zählen Sie insgesamt?
Circa 6.000. Auch manche Männer haben seit Anfang Juli von unserer Möglichkeit der Online-Anmeldung Gebrauch gemacht. Sie marschieren zwar nicht mit, da sie keinem Korps zugehörig sind, aber sie haben das volle Stimmrecht, außer bei den Regimentsversammlungen am Oberst- und Königsehrenabend. Mit ihrer Mitgliedschaft setzen sie ein Zeichen, dass sie den Neusser Bürger-Schützen-Verein unterstützen wollen wie früher die passiven Mitglieder, die nach der alten Satzung ja sogar einen höheren Beitrag als die aktiven zahlen sollten; die Regimentsschützen zahlen aber ja auch zusätzlich meist noch deutlich höhere Beiträge für ihre Korps und Züge.
„Wenn die Ernte ist vorüber“: Die Anfangszeile des bekannten Kirmeslieds „Des Neussers Freud und Lust“ ist auf der von Heinz Günther Hüsch gespendeten Bronzetafel am Zeughaus zu lesen. „Seht im Winde Fahnen flattern“, heißt es hier auch, ganz im Sinne von Martin Flecken. Er ruft die Bürger auf, die Straßen für die Festtage schön zu schmücken.
Foto: Kurier Verlag/Rolf RetzlaffApropos Unterstützung: Das Sponsoring ist und bleibt wichtig, schließlich hat der Verein 2024 rund 1,2 Millionen Euro für das Schützenfest ausgegeben. Wird es in diesem Jahr bei dieser Summe bleiben?
Ich denke, wir werden bei rund 1,3 Millionen Euro landen.
Der größte „Kostentreiber“ ist ...?
... nach wie vor die Musik, aber ich würde sie nicht als „Treiber“ bezeichnen, denn das Geld ist sehr gut investiert, exzellente Musik gehört unabdingbar zu unserem Fest und seinem Stil. Im vergangenen Jahr zogen rund 1.700 Musiker über die Neusser Straßen. Wir werden diese Zahl halten können.
Großes Thema ist die Landesgartenschau. Wird es für die Schützen Einschränkungen geben?
Ich bin zuversichtlich, dass alles klappt! Wir hatten viele Ortstermine auf dem Laga-Gelände, bei denen oft deutliche Fortschritte zu sehen waren. Es wird ein paar Änderungen geben. Das Ringstechen der Reiter wird örtlich etwas angepasst, da an alter Stelle teils Bäume stehen. Auf unseren Hinweis hin sind drei Bäume, die hinderlich waren, verpflanzt worden. Das Flachrennen der Artillerie ist auch genau in den Blick genommen, das Festzelt wird minimal versetzt – das werden die Besucher wahrscheinlich kaum merken; links neben dem Zelt wird aber deutlich mehr Platz sein. Und es werden weniger Parkplätze auf dem Gelände zur Verfügung stehen; aber da waren auch in den letzten Jahren auf der eigentlichen „Wiese“ so manche, die da eigentlich gar nicht hin gedurft hätten. Natürlich werden wir denen, die das wirklich nötig haben und darauf angewiesen sind, ermöglichen, so nah wie es geht an Zelt und Schießstand herangebracht zu werden. Unerlaubte Fahrzeuge aber werden kostenpflichtig abgeschleppt.
Wie stehen Sie insgesamt zur Landesgartenschau?
Sie wird auch auf das Schützenwesen positive Auswirkungen haben. Durch die Schaffung des Bürgerparks bleibt uns auf Dauer die Festwiese erhalten.
Dann wird Ihr letztes Schützenfest als NBSV-Präsident in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes werden. Wie geht es dann im Komitee weiter?
Ich werde bis November 2026 im Amt sein. Der neue Präsident wird von der Mitgliederversammlung gewählt, laut Satzung muss er schon dem Komitee angehören, um Kandidat für das Präsidentenamt werden zu können.
Sie haben Dr. Achim Robertz vorgeschlagen.
Er verrichtet bereits jetzt unglaublich viel Arbeit im Komitee, er kennt die Abläufe, er ist auch der, der entschlossen gesagt hat: „Ich mach das!“
Welche Voraussetzungen muss ein NBSV-Präsident mitbringen?
Er sollte wie eigentlich alle Komiteemitglieder in Neuss gesellschaftlich und kulturell gut vernetzt sein. Schaut man auf meine Vorgänger, so war Hermann Wilhelm Thywissen zum Beispiel Bürgermeister, Präsident der Bürgergesellschaft Neuss oder führend im Vorstand der Stiftung Marienberg tätig, Bertold Reinartz war Neusser Bürgermeister und stellvertretender Vorsitzender des Rudervereins, Thomas Nickel stellvertretender Bürgermeister, Vorsitzender des Kölner Diözesanrates und in zahlreichen Vereinsvorständen aktiv. Ich selbst war im Kirchenvorstand St. Quirin, bin unter anderem Vorsitzender des Forums Archiv und Geschichte Neuss, war einige Jahre Stadtverordneter und auch kulturpolitischer Sprecher der CDU; seit 1979 bin ich sachkundiger Bürger im Kulturausschuss. Aber als Präsident habe ich mich stets parteipolitisch zurückgehalten – und das werde ich auch weiterhin so halten. Und: Ein Präsident muss den Mut haben, die Traditionen, den Stil, Charakter und das Profil unseres Festes gegen Nivellierungstendenzen zu wahren und hochzuhalten; sonst verliert es rapide an Ansehen und Bedeutung; ein Präsident darf auch Forderungen Außenstehender, die unser Fest und die Traditionen gar nicht kennen, nicht nachgeben, nur weil sie vermeintlich politisch angesagt und heutig sind. Das gilt zum Beispiel auch im Blick auf Forderungen, berittene Schützen zu eliminieren. Da lobe ich mir immer wieder das Engagement unseres Reiterchefs Axel Hebmüller, der sich als Funktionär in Reiterverbänden stets für Reiter in Schützenregimenten einsetzt. Und ich selbst habe auch die Meinung, dass man bei Umzügen, bei denen Reiter traditionell dabei sind, diese, wenn sie reiten wollen, reiten lassen soll.
Und Sie können ein kleines Jubiläum feiern.
Wenn man so will, ja, ich wurde im November 2000 ins Komitee gewählt, also vor bald 25 Jahren. Damit bin ich der Dienstälteste, dicht gefolgt von Holger Schöpkens. Er ist seit 2001 im Komitee.
Es gibt aber bereits in diesem Jahr Veränderungen im Komitee.
Christoph Napp-Saarbourg ist neu im Komitee. Unser Schatzmeister Robert Rath – er ist seit 2002 Komitee-Mitglied – wird im November 2025 ausscheiden. Als Nachfolger für das Amt des Schatzmeisters haben wir Marcus Longerich vorgesehen. Er wird vom Komitee selbst gewählt.
Und einen Nachfolger für die Würde des Schützenkönigs wird es auch geben?
Auf jeden Fall, eine Bewerbung habe ich bereits bekommen. Mal sehen, wie viele Anwärter letztendlich auf den Königsvogel schießen werden.
Im aktuellen Jahr regiert mit Bert Römgens zum ersten Mal in Neuss ein Schützenkönig, der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebt sowie jüdischen Glaubens ist. Wie haben Sie das Königsjahr bisher empfunden?
Mit ihm und seinem Mann Saki Liampotis haben wir ein tolles Jahr! Es ist einfach schön zu sehen, mit welcher Begeisterung sie das Schützenwesen feiern, ohne es für irgendwelche Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Ihre herzliche Freude sorgt für beste Stimmung.
Apropos Begeisterung: Alljährlich rufen Sie die Bürger auf, die Straßen zu beflaggen. Waren Sie im vergangenen Jahr mit dem Straßenschmuck zufrieden?
Die Beflaggung könnte aus meiner Sicht immer besser sein. Fahnen und auch Wimpelketten gibt es im Schützenbüro an der Münsterstraße. Sehr schön finde ich es auch, wenn abends die Lichterketten leuchten. Im vergangenen Herbst gab es die Anregung, die Zugwege – über die Festtage insgesamt circa 20 Kilometer – zu verkürzen. Aber das wollten Ablaufkommission, Korpsführer und Komitee zu recht nicht. Denn viele Bürger schätzen es doch sehr, wenn die Schützen an ihren Häusern vorbeiziehen; und dann flaggen sie auch. Stichwort „Begeisterung“: 2023 waren alle von der Kinderparade begeistert; die muss es jedenfalls wieder geben!
Schön geschmückte Straßen, ein bestens aufgelegtes Königspaar, jede Menge Musik, gut gelaunte Schützen, die weitere Arbeit des Komitees ist gesichert – die besten Zutaten für ein tolles Schützenfest! Herr Flecken, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Das Interview führte Rolf Retzlaff.