1. Neuss

Frau mit Kind auf der Straße: wenn das Frauenhaus voll ist und keiner hilft

Frau mit Kind auf der Straße: wenn das Frauenhaus voll ist und keiner hilft

Streit gibt es in jeder Beziehung. Was aber, wenn er ausartet, wenn es zum Gewaltausbruch kommt? Meist sind die Opfer weiblich und suchen dann den Weg ins Frauenhaus. Doch genau hier scheint die Hilfe nicht auszureichen.

Denn immer häufiger kommt es vor, dass die Betroffenen dort wegen Überfüllung abgewiesen werden. Stadtverordnete Waltraud Beyen kennt drei solcher Fälle, die sich im Frühjahr dieses Jahres ereignet haben sollen.

"Frau Beyen, tun Sie etwas! Hier steht eine hilflose Mutter mit drei Kindern auf der Straße und weiß nicht, wohin." Anrufe dieser Art kennt die Stadtverordnete zu Genüge, meist kommen sie sonntags oder in den späten Abendstunden, wenn die Mitarbeiter vom Jugendamt oder anderen sozialen Stellen Feierabend haben. Dann bleibt den Hilfesuchenden noch die Telefonnummer 02131/ 15 02 25 zu wählen und im Frauenhaus untergebracht zu werden. Ein Service, der zu jeder Tag- und Nachtzeit zur Verfügung stehen soll. Aber nicht immer verfügt die Einrichtung über genügend Kapazitäten. Im vergangenen Jahr konnten 72 Frauen und 91 Kinder keine Aufnahme finden. Und was passiert dann mit den Betroffenen? "Die werden in andere Frauenhäuser in NRW vermittelt", weiß Beyen. "Aber für Frauen, die vollkommen verängstigt sind, oft kein Geld haben und mit Kind auf der Straße stehen, ist eine Reise zum Beispiel nach Dinslaken unzumutbar", kritisiert die Stadtverordnete.

Und so häufen sich die Fälle, in denen die Kümmerin selbst aktiv werden muss. "Zuletzt habe ich eine Frau mit Kindern zur Polizei gebracht, aber auch dort konnte uns nicht geholfen werden", kritisiert Beyen. Polizei-Pressesprecherin Daniela Dässel erklärt: "Im Normalfall haben wir ein gutes System und sind mit verschiedenen Einrichtungen vernetzt. Wenn die Polizei zum Notfall gerufen wird und erkennbar ist, dass sich einer der Parteien strafbar gemacht hat, wird der Aggressor für zehn Tage der Wohnung verwiesen. Das Opfer — in den meisten Fällen die Frau — hat dann genug Zeit, weitere Dinge zu klären." Doch auch hier hat die Hilfe Grenzen: "Wir können Frauen nicht selbst unterbringen, dafür haben wir nicht die Kapazitäten", stellt Dässel klar. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem. Denn viele Frauen kehren anschließend zu ihrem gewalttätigen Partner zurück. In Neuss waren es im vergangenen Jahr 22,7 Prozent. "Oft sind die Opfer finanziell von ihren Männern abhängig. Es dauert zu lange, mithilfe von entsprechenden Formularen Unterhalt einzufordern. Oft zahlen die Partner einfach gar nicht und fordern ein Gerichtsverfahren heraus. Das können viele Frauen nicht mitmachen", erklärt Beyen. Sie fordert ein größeres Augenmerk auf die weiblichen Bürger der Stadt.

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"Männer ohne Wohnraum können unkompliziert zur Hin- und Herberge am Derendorfweg. So etwas sollte es auch für Frauen geben", fordert die Stadtverordnete. Peter Fischer, Pressesprecher der Stadt Neuss erklärt: "Frauen, die ihren Wohnraum, aus welchen Gründen auch immer, verlieren, werden grundsätzlich mit Ersatzwohnraum vorübergehend untergebracht. Das kann eine städtische Obdachlosenunterkunft aber auch ein Hotelzimmer sein. Ansprechpartner ist hier die Zentrale Fachstelle Wohnen des Sozialamtes. Am Wochenende und in den Nachtstunden ist grundsätzlich der Bereitschaftsdienst des Jugendamtes und des Sozialamtes zu kontaktieren. Dies erfolgt in der Regel über Polizei beziehungsweise Feuerwehr." Aber genau das ist laut Beyen in mindestens drei Fällen fehlgeschlagen. "Es geht hier nicht darum, jemandem anzukreiden, dass er seine Arbeit falsch macht. Es geht darum, auf eine Lücke in diesem System hinzuweisen. Und schon ein Fall von misslungener Hilfe ist einer zu viel — erst recht, wenn Kinder im Spiel sind", so Beyen.

(Kurier-Verlag)