Gedanken eines Arztes zur aktuellen Corona-Krise „Noch sind Krankenhäuser bei uns nicht überfüllt...“

Neuss · Ein paar Gedanken zur aktuellen Corona-Krise – ein Arzt und Mitarbeiter des Testcenters Corona Neuss TCN, der nicht namentlich genannt werden möchte, wirft einen Blick auf die aktuelle Situation.

 Das Testcenter Corona Neuss (TCN)

Das Testcenter Corona Neuss (TCN)

Foto: Kurier Verlag GmbH/Thomas Broich

„Es fällt Menschen immer schwer, Risiken richtig einzuschätzen. Besonders, wenn es neue Gefahren sind. Richtig schwierig und gefährlich wird es, wenn ein Risiko mit exponentiellem Wachstum – wie bei einer Pandemie – auftritt. Aktuell erreichen mich immer wieder Fragen, ob das Ganze denn ,wirklich so schlimm’ ist. Die Krankenhäuser seien doch praktisch leer. Meine ehrliche Antwort: Ja, es ist sehr ernst. Und die Krankenhäuser sind NOCH sehr leer. Das ist auch das Ziel aller Maßnahmen, unter anderem auch unseres Testcenters Corona Neuss. Momentan ist die Lage in den Krankenhäusern aus meiner Sicht ein bisschen wie die Lage am Strand zu Beginn eines Tsunamis: Das Wasser zieht sich zurück, aber eine große Welle ist zu befürchten. Sprich: Wenn es gelingt, durch alle Maßnahmen die Welle flach zu halten, wäre das eine großartige Leistung von allen Menschen.“

Dazu zitiert der Neusser Arzt auch die bewegende Mail einer Studentin, die bis vor wenigen Tagen in seiner Praxis tätig war. Sie stammt aus München und ist nun wieder zurück in Süddeutschland. Sie schickte folgende Mail nach Neuss, die der TCN-Mitarbeiter allen Skeptikern zu lesen geben möchte:

„Bei uns auf der Station sind tatsächlich nur Covid-19 positive Patienten. So gut wie alle sind beatmet, einige sind an der ECHMO* angeschlossen. Von unseren 16 Betten sind aktuell zwölf belegt. Insgesamt haben wir im Haus noch etwa 20 freie Intensivbetten und bauen gerade noch eine Intensivstation aus, damit nochmal 15 Patienten aufgenommen werden können. (...) Heute haben wir die ersten zwei Patienten von außerhalb Münchens übernommen, da dort wohl langsam der Platz auf den Intensivstationen ausgeht. Alle sind angespannt und keiner weiß so recht, wie die Lage sich entwickelt. Ich bin wirklich froh, jetzt angefangen zu haben und nicht erst in ein bis zwei Wochen, wenn dann die Hütte brennt und es keine Zeit für eine ordentlich Einarbeitung mehr gibt. ... Die Lagerung der ganzen ARDS Patienten ist echt super aufwändig, da sie in regelmäßigen Abständen auf dem Bauch beatmet werden sollen. Einige Patienten liegen schon seit drei Wochen beatmet auf der Station und keiner weiß so recht, wie man es schafft, sie wieder von den Geräten zu entwöhnen, weil die Schäden in den Lungen echt gravierend sind. Das finde ich schon ganz schön schlimm, vor allem, weil es nicht nur alte Leute sind!“

(*Zur Erklärung: Die ECHMO oder auch ECMO ist eine Art Herz-Lungenmaschine, die wenn die Lunge schwer angeschlagen ist, die Versorgung mit Sauerstoff sichert. Ein solches Gerät ist in KEINEM Krankenhaus im Rhein-Kreis Neuss vorhanden. Die Uni München ist eine der wenigen Kliniken, die mehrere solcher Geräte hat.)

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