Neuss - Angst vor Mehrkosten: Gastronomen fürchten erneut um ihre Existenz

Neuss · „Die Beibehaltung des aktuell reduzierten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent ist überlebensnotwendig. Ansonsten könnte es schlimmer werden als während Corona, uns droht ein massiver Gefährdungszustand“, sind sich Michael Bott und Alexander Bliersbach einig. Die beiden Vertreter des Vereins „Neuss vereint“, einem Zusammenschluss Neusser Gastronomen, wünschen sich hier „eine Einigkeit der politischen Parteien“ – und die halten ausnahmsweise mal zusammen wie die besten Stammtischbrüder.

 Michael Bott und Alexander Bliersbach (v.l.) vom Verein „Neuss vereint“ wissen: Sollte es zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen von sieben auf 19 Prozent kommen, werden Gastronomen um ihre Zukunft bangen müssen.

Michael Bott und Alexander Bliersbach (v.l.) vom Verein „Neuss vereint“ wissen: Sollte es zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für Speisen von sieben auf 19 Prozent kommen, werden Gastronomen um ihre Zukunft bangen müssen.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Zum Hintergrund: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) hatte jahrelang um eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen und Getränke gekämpft. Am 1. Juni 2020 trat diese Regelung schließlich in Kraft, doch Ende des Jahres läuft sie aus. „Gaststätten fördern und sind Brauchtum, sie sind Begegnungsstätten und Treffpunkte für Bürger und Vereine“, sagt Bliersbach. Eine Kostensteigerung um zwölf Prozent „bedeutet für viele Gastronomen das Aus oder sie ändern ihr Geschäftsmodell und verkaufen Speisen nur noch außer Haus“. Denn dafür stehen lediglich sieben Prozent Mehrwertsteuer an – im Gegensatz zu den drohenden 19 Prozent für in der Gastronomie zu sich genommenen Speisen. Für Bliersbach unlogisch: „Wir haben doch eh höhere Kosten durch die Bereitstellung des Raumes, Energie und Personal.“ Und er macht deutlich: Eine Erhöhung der Umsatzsteuer müsste auch auf den Verbraucher umgesetzt werden, weil die meisten Gastronomen noch mit den „Corona-Nachwehen“ zu kämpfen haben. Das heißt, Essengehen würde noch teurer werden – und noch weniger Bürger würden sich dies leisten können. „Die Stadt hat uns bisher über Gebühr geholfen, hoffentlich unterstützt uns jetzt auch die Politik“, sagt Michael Bott.

Und die Ratspolitiker haben sich genau aus diesem Grund zusammengetan: CDU, SPD, Grüne und die Fraktion Die Partei/Die Linke werden im Stadtrat am 16. Juni eine Resolution auf die Tagesordnung setzen, wonach der Bürgermeister beauftragt wird, im Städtetag und gegenüber der Bundesregierung auf die geäußerten Sorgen der Neusser Gastronomen hinzuweisen und sich für eine Beibehaltung oder zumindest Verlängerung des aktuellen reduzierten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent einzusetzen.

„Wir stehen an der Seite unserer Gastronomen in Neuss. Hinter ihnen liegen harte Jahre“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Sven Schümann. „Nach Corona haben sie jetzt mit hohen Energiekosten, Inflation und Kaufzurückhaltung zu kämpfen. Ein weiterer Preissprung durch eine erhöhte Mehrwertsteuer wird die Gastronomie daher ins Mark treffen.“ Die gastronomische Vielfalt in Neuss sei dann in akuter Gefahr. „Wir kämpfen daher dafür, dass der verminderte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie beibehalten wird. Wir sind froh, dass sich unsere Landesregierung auf Bundesebene ebenfalls dafür einsetzt.“

„Wir möchten mit der Resolution nach vielen Gesprächen ein Zeichen setzen und zeigen, wie wichtig uns unser vielfältiges Angebot an Restaurants, Gaststätten, Kneipen und Cafés in unserer Stadt ist, das maßgeblich zur Attraktivität und zur hohen Lebensqualität in der Stadt Neuss beiträgt und auf das wir sehr stolz sind“, erklären der SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Karbowiak und der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Rinkert.. „Daher möchten wir alle Möglichkeiten nutzen, auf die berechtigten Sorgen der Gastronomie aufmerksam machen und uns gemeinsam für eine Lösung einsetzen – sowohl in der Stadt Neuss als auch in Berlin innerhalb der Bundesregierung.“

Bettina Weiß, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagt: „Die vielfältige Gastronomie in Neuss wird durch die kleinen Betriebe geprägten, diese möchten wir erhalten. Wir sind der Ansicht, dass nach Corona und Energiepreisschock eine Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer für die Gastronomie angebracht ist.“

Sascha Karbowiak hatte die Resolution auf den Weg gebracht, nachdem er vom Verein „Neuss vereint“ angesprochen wurde. „Ich habe mit den Vereinsvertretern den Resolutionsentwurf abgestimmt und allen anderen demokratischen Fraktionen im Neusser Stadtrat angeboten, sich an der Resolution zu beteiligen und sich gemeinsam einzubringen. Am Ende haben sich zumindest die CDU, die Grünen und Die Partei/Die Linke der Resolution angeschlossen – und selbstverständlich unterstützt auch Bürgermeister Reiner Breuer die Resolution.“ Letztendlich kann die Stadt hier keine Entscheidungen treffen – das ist Bundessache. Aber es ist wichtig, bereits jetzt „klare Kante“ zu zeigen und deutlich zu machen, dass mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer erneut die Existenz vieler Gastronomen bedroht wäre. Rolf Retzlaff

(-skR)
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