Oberpfarrer Andreas Süß formuliert seine Gedanken zum Weihnachtsfest Friede, Hoffnung und Liebe schenken

Neuss · Vor knapp vier Monaten hat Andreas Süß den Posten des Neusser Oberpfarrers angetreten. Der 45-Jährige ist zuständig für die Seelsorgebereiche Neuss-Mitte, wo mit der Basilika St. Quirin das Wahrzeichen der Stadt steht, Rund um die Erftmündung (Gnadental, Erfttal, Grimlinghausen und Uedesheim) und Neusser Süden mit Norf/Derikum, Allerheiligen, Rosellen/Rosellerheide, Hoisten und Weckhoven. In seinem Gastbeitrag formuliert der Oberpfarrer seine ganz persönlichen Gedanken zum Weihnachtsfest.

 Oberpfarrer Andreas Süß blickt voller  Hoffnung auf das Weihnachtsfest.

Oberpfarrer Andreas Süß blickt voller Hoffnung auf das Weihnachtsfest.

Foto: Beatrice Tomasetti

Weihnachten – jedes Jahr freuen wir uns auf dieses große Fest und erhoffen immer wieder neu, innerlich angerührt zu werden. Ein Fest, das uns tiefen Frieden und Trost in einer doch so aufgewühlten und herausfordernden Zeit schenken kann. Viele von uns haben sich in den letzten Wochen mit adventlichem Singen und Musizieren, Gottesdiensten im Kerzenschein, dem Aufbau einer Krippe und dem Besorgen von Geschenken darauf vorbereitet. Wir erhoffen uns durch vertraute Traditionen, die an alte Erinnerungen rühren, ein tröstliches Gefühl zu spüren.

Manch einer könnte hier bemerken, dass wir uns vielleicht nur für ein paar Tage aus der oft ängstigenden Realität in einen Traum von „heiler Welt“ flüchten, der sich bald wieder verflüchtigt und nichts als nüchternen Alltag übriglässt. Ist das wirklich alles, was Weihnachten zu bieten hat? Ich wünschte mir, dass diese Zeit nicht nur für einen kurzen frohen Moment unsere harte Wirklichkeit schönfärbt, sondern ein Fest der wirklichen Begegnung mit unserem Gott, der uns wie eine zärtliche Umarmung seinen Sohn als berührbares und unschuldiges Kind in der Krippe schenkt, wird.

Weihnachten ist also kein Fest der Wirklichkeitsflucht, sondern der Suche nach der Wirklichkeit. Wir verkünden etwas, das eigentlich unbegreiflich ist: nämlich, dass unser Gott sich aufmacht und sich in unsere menschliche Natur begibt, um uns in unserer räumlich und zeitlich begrenzten Wirklichkeit zu suchen. Er möchte uns ganz nah sein – uns auf unserer „Augenhöhe“ begegnen. Er streckt uns seine rettende Hand entgegen und lässt uns tiefer verstehen, wie Gott wirklich ist und wer eigentlich der Mensch ist, ein geliebtes Kind Gottes!

Jeder von uns hat eine eigene Vorstellung von Gott im Laufe des Lebens entwickelt, die von ängstlich und belastend bis hin zu tröstlich oder heilend reichen kann – je nachdem, wie er uns von unseren Familien oder Freunden nahegebracht wurde. Das Weihnachtsfest sagt uns hier: Schau her! So ist dein Gott wirklich! Ganz unabhängig davon, welches Bild du von ihm im Herzen trägst.

 Das Quirinusmünster, Andreas Süß’ neue Heimat.

Das Quirinusmünster, Andreas Süß’ neue Heimat.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Eine sich verschwendende Liebe zu uns, die die ganze Zerbrechlichkeit eines Menschen als Kind in der Krippe annimmt, den Verlorenen bis zum Letzten hinterhergeht, um sie zurückzuholen und in seine liebevollen Arme zu schließen und bereit ist, das Leben für uns alle am Kreuz zu geben. Seine Menschwerdung in einem armseligen Stall ohne Luxus und Sicherheit soll uns zeigen, dass er sich für all diejenigen einsetzt, deren Leben von Angst, Not, Hoffnungslosigkeit und Krieg bedrückt ist.

So ist Gott – aber das Weihnachtsfest zeigt uns auch, wer der Mensch ist, so wie er von Gott gedacht ist. Auch hier ist es so, dass wir alle unsere eigene Vorstellung haben, was es heißt, Mensch zu sein. Und wiederum fordert uns das Weihnachtsfest auf, nicht auf unser eigenes Bild zu schauen, sondern tiefer zu verstehen, was das Jesuskind uns in faszinierender Weise aufzeigen will.

Denn in Jesus steht uns das Bild des Menschen vor Augen, wie Gott ihn gedacht hat: Jesus lebte aus einer inneren Freiheit gegenüber Macht, Versuchungen, Egoismus und den Erwartungen der Menschen, die er aus der vertrauensvollen Verbindung an seinen himmlischen Vater gewann. Er wusste um die Bedürftigkeit und die gleiche Würde aller Menschen vor Gott und darum war seine Geburt im Stall von Bethlehem ohne Privileg. Seine liebevolle, geschwisterliche Art, die er uns vorlebte, soll uns ein Vorbild für unser Miteinander sein.

Wer sich von dieser heilenden und tröstlichen Menschlichkeit erfassen lässt, für den bleibt Weihnachten keine kurzlebige Illusion, sondern eine tiefe Begegnung mit dem uns liebevoll anblickenden Gott als Kind in der Krippe. Wenn wir unsere Herzen für diese Liebe öffnen, dann kann das Wunder der Menschwerdung in uns fortgesetzt werden, und wir werden uns das schenken können, was wir uns im Tiefsten erhoffen: Friede, Hoffnung Freude und Liebe.

Lassen wir uns von dem Kind in der Krippe anrühren. Ja, noch mehr, an diesem Weihnachtsfest fragt uns auch Gott, ob er in uns ganz konkret in unserem Leben Mensch werden darf. Dadurch, dass wir, was Jesus uns vorgelebt hat, nachahmen. So wie er liebevoll und achtsam Menschen begegnet ist, ihnen Heilung und Vergebung geschenkt hat, so sollen auch wir einander begegnen. Machen wir es wie Gott und werden Mensch!

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