Wie sich die Parteien im Neusser Stadtrat formiert haben Auf in die Zukunft: Wer mit wem gemeinsame Sache machen will

Neuss · „Ist alles so schön bunt hier!“ sang einst Rockröhre Nina Hagen. Sie meinte damit natürlich das TV, aber es passt auch auf die Zusammensetzung des Stadtrates: Elf Parteien und Wählergemeinschaften stimmen über die Zukunft der Stadt Neuss ab. Das Gremium wird auf 64 Sitze plus Bürgermeister Reiner Breuer aufgestockt. Jetzt sind die Sondierungsgespräche abgeschlossen: Welche kleineren Parteien tun sich zusammen, wer führt welche Fraktion an?

Der neue Fraktionsvorstand der SPD (v.l.): Daniel Handel, Verena Kiechle, Sascha Karbowiak, Michael Ziege und Julia Langer.

Foto: SPD Neuss/JASCHA HUSCHAUER

Die CDU (22 Sitze) machte schnell Nägel mit Köpfen: Sven Schümann wurde mit 89,4 Prozent der Stimmen mit großer Mehrheit als Fraktionsvorsitzender bestätigt. In der konstituierenden Sitzung diskutierte die Fraktion auch ihre inhaltliche Ausrichtung für die kommende Ratsperiode. „Trotz erheblicher Zugewinne der AfD haben wir unsere Führungsrolle behauptet, bleiben stärkste Kraft im Rat und konnten die Zahl unserer Direktmandate im Vergleich zu 2020 sogar erhöhen“, erklärte er. Der Vorstand der CDU-Fraktion wird vervollständigt durch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Heyers, Thomas Kracke und Axel Stucke sowie die Beisitzer Stefan Crefeld, Dominique Lindow, Monika Mertens-Marl und Thomas Nickel.

Auch die SPD setzt auf Kontinuität: Die 18 Mitglieder im Stadtrat haben einstimmig den bisherigen Fraktionsvorsitzenden Sascha Karbowiak erneut zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Ihm zur Seite stehen als stellvertretende Vorsitzende Verena Kiechle, Michael Ziege, Julia Langer und Daniel Handel. Entgegen dem schlechten Bundestrend habe die SPD erneut ein gutes Ergebnis bei den Stadtratswahlen eingefahren und mit Bürgermeister Reiner Breuer erneut die Bürgermeisterwahl im ersten Wahlgang gewonnen, so Karbowiak. Angesichts der komplizierten Mehrheitsverhältnisse und der gestärkten politischen Ränder im neuen Stadtrat sei es nun entscheidend, Verantwortung zu übernehmen. Das sieht auch die CDU so: Christ- und Sozialdemokraten führten erste Gespräche. Ihr Ziel ist, bei wesentlichen Sach- und Personalfragen eine stabile Mehrheit für Handlungsfähigkeit von Rat und Verwaltung – etwa bei Ausschusszuschnitten oder der Größe der Gremien – zu gewährleisten (wir berichteten).

Die FDP schickt mit Tim Hammes und Dr. Jana Pavlik zwei Politiker in den Rat; sie bilden eine Fraktion mit Carsten Thiel, Alleinvertreter der UWG. Die Posten waren schnell verteilt: Hammes ist Vorsitzender, Thiel sein Stellvertreter, Dr. Pavlik komplettiert den Fraktionsvorstand.

„Erstmals seit der vergangenen Ratsperiode verfügen wir wieder über Fraktionsstatus. Das gibt uns erweiterte Rede- und Antragsmöglichkeiten sowie eine bessere organisatorische Ausstattung. Das alles nutzen wir nicht für uns selbst, sondern für unser Ziel: Neuss mit liberalen und unabhängigen Ideen mutig und konstruktiv voranzubringen“, so Hammes. Thiel führt aus: „Die FDP und die UWG zeigen mit dieser Fraktion, dass über Parteigrenzen hinweg Zusammenarbeit möglich ist, wenn es um die Sache geht.“ Hammes und Thiel geben sich kämpferisch: „Diese Fraktion ist ein Aufbruchssignal. Wir wollen Brücken bauen, Chancen nutzen und Neuss mit ganzer Kraft in eine gute Zukunft führen.“

Auch die drei Einzelvertreter von Tierschutz (Thomas Schwarz), Aktiv für Neuss (Haci Öz) und Neuss Jetzt! (Michael Klinkicht) haben sich zu einer Fraktion zusammengefunden (wir berichteten). Die „Trio-Bildung“ war aufgrund einer Änderung der Gemeindeordnung erforderlich: Bei Stadträten mit mehr als 50 Sitzen muss eine Fraktion aus mindestens drei statt wie bisher zwei Ratsmitgliedern bestehen.

Dass es überhaupt zu dieser Konstellation kommen konnte, ist unter anderem Klinkichts Sohn Tom zu verdanken; der war erst vor Kurzem von der PARTEI zu Neuss Jetzt! gewechselt. Wir erinnern uns: Lediglich zwei Stimmen hatten darüber entschieden, welche der beiden Parteien in den Rat einziehen darf. Da war Toms Votum das „Zünglein an der Waage“ ...

Einzig Falk vom Dorff (BSW) hat keinen Platz auf dem „Fraktionsbildungskarussell“ gefunden. „Erste Angebote gabs bereits am Wahlabend, aber den meisten ging es in der Hauptsache um monetäre Fragen“, so vom Dorff. Und weiter: „Ich hätte mehr meine politische Arbeit machen wollen, zumal das BSW unter den Parteien mit einem Sitz im Rat deutlich die meisten Stimmen bei der Kommunalwahl bekommen hat.“ (Zum Vergleich: BSW 1.044 Stimmen, Tierschutz 824, Aktiv für Neuss 729, UWG 721, Neuss Jetzt! 534, Die PARTEI 532.) Rolf Retzlaff

Was die Ratsparteien von einer Fraktionsbildung haben und wann der neue Rat zum ersten Mal zusammentrifft, lesen Sie auf Seite 3