Verein „Neuss hilft“ engagiert sich seit 2022 für Ukrainer Die stillen Lebensretter

Neuss · Seit mehr als drei Jahren rollt eine Angriffswelle nach der anderen von Russland aus über die Ukraine und hinterlässt Tod und Zerstörung. Der Verein „Neuss hilft“ um Petra und Max Lennertz engagiert sich seit 2022 für die Linderung der Not in dem kriegsgebeutelten Land. Aber auch in Neuss kümmern sie sich um Neubürger aus der Ukraine. Zudem stellen sie Projekte zur Hilfe für wohnungslose Menschen in der Quirinusstadt auf die Beine.

Petra Lennertz (l., Vorstand „Neuss hilft“) bedankt sich bei Ingo und Anke Werner; sie haben wertvolle medizinische Hilfen für Odessa gespendet.

Foto: Neuss hilft

Die ältere Dame sitzt einsam zuhause, Bomben schlagen in der Nähe ihres kleinen Häuschens ein – aber sie bleibt dort, wo sie ihr Leben mit ihrer Familie verbracht hat. „Wir unterstützen die Organisation BaDed – ukrainisch für Oma, Opa –, die diese älteren einsamen Menschen in ihren Wohnungen besuchen, sie mit Essen und Arzneimitteln versorgen“, erzählt Max Lennertz. Auch die Inkontinenzversorgung sei in der Ukraine ein Riesenproblem: „Wir haben selbst zwölf Paletten Inkontinenzartikel gekauft.“ Aber ebenso wichtig sei für die Senioren das Gespräch bei einer Tasse Tee, eine Umarmung, menschliche Wärme und Herzlichkeit. Attribute, die in Kriegszeiten immer seltener werden ...

Das Ehepaar Lennertz steht in ständiger Verbindung zu NGOs in der Ukraine, zu Krankenhäusern, Bürgermeistern und Rettungskräften. „So wissen wir genau, was wo gebraucht wird“, macht Max Lennertz deutlich, dass sich bei ihnen zahlreiche Anfragen aus der Ukraine sammeln. In 19 Städten war der Verein bisher aktiv, 13 Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge wurden von Neuss aus überführt. Auch die medizinische Versorgung steht bei dem Verein ganz oben auf der Liste. Von Verbänden, Salben und OP-Zubehör bis zu Nahtmaterial, Injektions- und Infusionssystemen – alles wird benötigt.

Jetzt hilft der Verein hauptsächlich in frontnahen Orten. Zum Beispiel mit 200 Notfall-Rucksäcken, gefüllt unter anderem mit Beatmungsgeräten für Erwachsene, Kinder und Säuglinge, Rettungsdecken, Verbandsmaterial und einem Schienenset, das im Falle schwer verletzter Gliedmaßen zum Einsatz kommt. „Neuss hilft“ hat Helme und Handschuhe für die Feuerwehrleute in der Ukraine besorgt, kümmert sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung sowie mittels großer Generatoren um die Stromversorgung, vor allem in Krankenhäusern lebenswichtig. Da ist aber auch das Heim, in dem Kinder mit Downsyndrom untergebracht sind und die panisch werden, wenn nachts das Licht unvermittelt ausgeht. Ein Stromgenerator aus Neuss hilft hier. Der Heimleiter in einem Dankesschreiben: „Jetzt können unsere Kinder wieder ruhig schlafen!“ Wenn die Bomben nicht zu nah einschlagen ...

Ein Riesenproblem ist auch die Trinkwasserversorgung. In Mykolajiw (465.000 Einwohner) gibt es kein sauberes Trinkwasser mehr, nachdem die städtischen Wasserwerke und zentrale Versorgungsleitungen zerstört wurden. Lediglich für die Toilettenspülung steht noch eine geringe Menge Wasser zur Verfügung. Die Bewohner werden notdürftig durch kleine Brunnen und Wasserverteilungsstellen versorgt. Der Rotary Club Neuss stellt jetzt die Wartung und Instandhaltung von Wasseraufbereitungssystemen an zwölf Schulen sicher.

Ein weiteres Haupt-Handlungsfeld des Vereins ist die Hilfe für ukrainische Neubürger in Neuss. Petra Lennertz und ihr Team engagieren sich seit drei Jahren im Rahmen ihrer Initiative „Learning by Doing“ für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten.

Die dritte „Hilfssäule“ besteht aus Projekten, die das Leben wohnungsloser Menschen in Neuss erleichtern sollen. Die Johanniter sorgen mit der mobilen Arztpraxis alle zwei Wochen vor der Alten Post für die medizinische Versorgung Wohnungsloser. Petra Lennertz war am Aufbau des Konzeptes beteiligt und begleitet das Projekt weiterhin.

Die Liste der weiteren Aktionen des Vereins ist lang: Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Weckhovener Treff wird ebenso unterstützt wie Angebote des SkF, des Interkulturellen Jugendzentrums InKult und der Streetworker von Streetlife (Diakonie Rhein-Kreis Neuss).

Die ukrainischen Neubürger sollen auch in den Alltag in Neuss integriert werden. Da kommen Veranstaltungen wie der Sommernachtslauf gerade gelegen – ein schönes Stück Normalität, fernab von den furchtbaren Kriegsschrecken.

Menschenleben retten, das Leben der Menschen etwas erträglicher gestalten – das sind die Triebfedern des Vereins „Neuss hilft“. Aber es sind auch die kleinen Dinge, die dem Ehepaar Lennertz ans Herz gehen. Wie zum Beispiel die von der Krefelder Quilt-Künstlerin Claudia Pfeil geschaffenen „Sorgenfresser“: Kinder können ihre Sorgen auf kleine Zettel schreiben, sie den hungrigen Mäulern der Stoffwesen anvertrauen und zur Belohnung ein Gummibärchen herausziehen. Ein kleiner Trost in grausamen Kriegszeiten ...

Rolf Retzlaff

Weitere Infos über die Arbeit des Vereins „Neuss hilft“ gibt es unter www.neuss-hilft.de, direkt zur Bedarfsliste kommen Sie über neuss-hilft.de/

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