Wocheneinkauf über das Internet: Wann kommen die Lieferdienste der Supermärkte?

Schon vor vielen Jahren waren sich Experten sicher, dass Supermärkte irgendwann der Vergangenheit angehören werden und Menschen sich ihren Wocheneinkauf über das Internet liefern lassen. Entsprechende Angebote gibt es bereits seit Längerem sowie zahlreich — doch irgendwie konnten sich diese bislang nicht durchsetzen.

Wocheneinkauf über das Internet: Wann kommen die Lieferdienste der Supermärkte?
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Wieso nicht und wie sieht die Zukunft der Supermärkte wirklich aus?

Sich essen liefern zu lassen, ist schon lange Zeit gang und gäbe. Dabei handelt es sich aber um fertige Gerichte von Restaurants und Lieferdiensten. Den Wocheneinkauf lässt sich in Deutschland hingegen erst jeder Fünfte liefern — und das nicht einmal regelmäßig. So kam eine aktuelle Studie aus dem Hause Gruner + Jahr zu dem Ergebnis, dass lediglich 20 Prozent der Deutschen schon einmal Lebensmittel online bestellt haben. Auch Angebote wie Amazon Fresh oder der REWE Lieferservice konnten das bislang nicht ändern. Nur rund vier Prozent der Deutschen lassen sich ihren Wocheneinkauf regelmäßig liefern, anstatt klassisch in den Supermarkt zu gehen. Während Experten schon lange davon sprechen, dass der E-Commerce den stationären Handel auch im Lebensmittelbereich ablösen wird, halten das von den Verbrauchern nur zwölf Prozent für realistisch. Die Deutschen hängen also an ihren Supermärkten. Aber woran liegt das?

Natürlich ist es ein Stück weit zur Routine geworden, durch die Regalreihen der Supermärkte zu schlendern und dort die Waren für das Abendessen mitzunehmen. Nicht alle Menschen sind Freunde davon, das Essen für mehrere Tage oder eine gesamte Woche zu planen. Sie huschen stattdessen nach der Arbeit schnell in den Supermarkt, welcher auf dem Weg liegt, und nehmen sich spontan das Dinner mit, welches sie gerade gelüstet. Der Onlinekauf von Lebensmitteln würde also eine Änderung der Gewohnheiten vieler Verbraucher erfordern und dazu sind diese schlichtweg (noch) nicht bereit. Gerade für solch kleine Mengen wirken zudem die Zusatzkosten für die Lieferung abschreckend. Jedoch zeigen sich auch jene Deutsche wenig begeistert von den modernen Lieferdiensten für Lebensmittel, welche tatsächlich akribisch planen und einmal pro Woche mit einer langen Einkaufsliste in den Supermarkt gehen. Das Warten an der Schlange, das schreiende Kind im Einkaufswagen oder das Schleppen der Waren in den dritten Stock — all das müsste eigentlich nicht mehr nötig sein und dennoch halten die Verbraucher an ihren guten alten Supermärkten fest.

Wie die Studie weiterhin herausfinden konnte, liegt diese Treue vor allem in Bedenken hinsichtlich der Qualität und Frische der Lebensmittel begründet, wenn sie diese liefern lassen. Sie möchten die Produkte direkt vor Ort vergleichen und sich nicht auf die Auswahl Dritter verlassen müssen. Simpel ausgedrückt: Sie möchten sich lieber selbst den besten Apfel aussuchen, als dass sie durch den Lieferdienst nur den zweit- oder drittbesten erhalten. Hinzu kommt das enge Lieferfenster der Serviceanbieter. In den Supermarkt können die Verbraucher dann, wenn sie gerade Zeit haben. Dabei stellt genau das für viele Berufstätige ein Problem dar und an dieser Stelle wollten die Lieferdienste eigentlich ansetzen, um den Wocheneinkauf für die viel beschäftigte Zielgruppe zu erleichtern. Ein Stück weit scheint es also tatsächlich keine Frage der Vernunft zu sein, welche die Deutschen von der Nutzung einer Lebensmittellieferung abhält, sondern schlichtweg die Gewohnheit sowie Angst vor dem Unbekannten. 40 Prozent der Deutschen möchten solche Angebote zum Stand heute nicht einmal testen, lautet das Fazit der Gruner + Jahr Studie.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie von A.T. Kearney: Zwar befinden sich Lieferdienste für Lebensmittel im Aufschwung, allerdings lediglich aufgrund von zunehmenden Probekäufen. Immer mehr Deutsche, Schweizer und Österreicher sind also bereit, die Lebensmittellieferung auszuprobieren — jedoch kehrt der Großteil wieder zum klassischen Einkauf im stationären Supermarkt zurück. Dass die Marktdurchdringung der Online-Händler für Lebensmittel steigt, ist daher bislang nur ein Trugschluss. Lidl und Kaufland haben ihre Liefergeschäfte sogar zumindest vorerst wieder eingestellt. Der Grund: Der Lieferservice sei angesichts der aktuellen Marktentwicklung nicht wirtschaftlich und ließe sich nicht kostendeckend betreiben. Die zögerliche Aufnahme der Lieferdienste bei der Zielgruppe hat den Markt also deutlich eingebremst. Die Hürden decken sich auch hier mit den Ergebnissen aus der ersten Studie: Die Verbraucher möchten die Produkte sehen und anfassen sowie selbst auswählen. Sie haben Bedenken hinsichtlich der Produktqualität und wünschen sich zudem einen persönlichen Ansprechpartner bei Fragen. Der Faktor Frische spielt eine tragende Rolle. Hinzu kommen Zweifel hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses der Lieferservices. Es gibt jedoch auch einen Silberstreif am Horizont für die Online-Händler und Supermarktketten: Diese Sorgen betreffen fast ausschließlich frische Produkte. In anderen Produktkategorien ist das Interesse an Liefermöglichkeiten deutlich größer.

Lange hat Amazon gezögert, bis der Anbieter im Jahr 2017 schließlich doch mit seinem Lieferdienst für Lebensmittel namens Amazon Fresh an den deutschen Markt ging. Das ganze Land war in Aufruhr und befürchtete eine Revolution auf dem Food-Markt. Doch diese blieb aus. Stattdessen hat Amazon das Angebot klammheimlich in der Hauptstadt schon wieder eingeschränkt und eine Expansion in weitere deutsche Städte scheint vorerst nicht geplant zu sein. Extrem teuer sei die Zustellung von Lebensmitteln und damit auf dem preissensiblen deutschen Markt heikel, begründet das Unternehmen seinen zögerlichen Start in der Bundesrepublik — und es behält recht. Die Kunden möchten nicht zusätzlich für die Lieferung bezahlen, wodurch das Geschäft nur durch eine große Masse an Bestellungen im wirtschaftlichen Sinne tragbar wäre. Amazon Fresh stößt also auf dieselben Hürden wie zuvor bereits die Schwarz-Gruppe mit Lidl sowie Kaufland.

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Amazon Fresh dürfte noch ein weiteres Problem haben: Der Händler genießt nicht das beste Image und da Lebensmittel Vertrauenssache sind — vor allem eben frische Waren — greifen die Kunden lieber zu Konkurrenzangeboten von Marken mit exzellentem Ruf. REWE war nicht nur der erste Supermarkt mit eigenem Lieferdienst und damit der Vorreiter auf dem deutschen Markt, sein Angebot hält sich bis heute an der Spitze. Rund 44 Prozent jener Verbraucher, die schon einmal Lebensmittel online bestellt haben, nutzten dafür den Service von REWE. Erst mit großem Abstand folgen mit 21,4 Prozent AllyouneedFresh der DHL und anschließend Amazon Fresh mit 14,5 Prozent. Besser aufgenommen werden zudem Alternativangebote und Aktionen wie "Aldi liefert!", wo ausgewählte Waren in der Filiale gekauft und anschließend nach Hause geliefert werden. Vielleicht hilft es den deutschen Verbrauchern ja, sich langsam an solche Einkaufsmodelle heranzutasten und dadurch das notwendige Vertrauen gegenüber dem Lieferdienst zu fassen — auch bei frischen Waren. Das Beispiel REWE beweist jedenfalls, dass die erfolgreiche und kostendeckende Lieferung von Lebensmitteln auch auf dem deutschen Markt durchaus möglich ist. In mittlerweile 75 Städten ist der Service abrufbar und setzt laut eigenen Angaben jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag um.

Ausgehend davon, dass jeder Mensch Lebensmittel kaufen muss und es sich somit um ein gigantisches Marktvolumen handelt, dürften die Perspektiven noch weitaus größer sein. Das wird auch durch das steigende Interesse der Internetuser am Thema Online-Food bestätigt. Die Suchkategorie rund um die Lieferung von Lebensmitteln ist bei Google allein in den Jahren 2009 bis 2011 um 30 Prozent jährlich gestiegen. Seitdem liegen die Wachstumsraten recht konstant bei einem Plus von 17 Prozent pro Jahr. Das Interesse der Konsumenten besteht also durchaus und wächst zunehmend. Jedoch müssen die Anbieter endlich eine Lösung für die Frischeproblematik finden. Wie können sie die Qualität der (frischen) Produkte sicherstellen und das Vertrauen der Kunden gewinnen? Sobald passende Antworten auf diese Fragen gefunden wurden, steht dem Erfolg der Lieferdienste für Lebensmittel eigentlich nichts mehr im Wege. Ob sie den stationären Supermarkt aber tatsächlich eines Tages ablösen werden, lässt sich zum Stand heute noch nicht realistisch abschätzen. Denn wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, ist der deutsche Markt tückisch — vor allem, wenn es um frische Lebensmittel geht.

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